Die Winterchroniken von Heratia 1 - Der Verfluchte (German Edition)
‚du’ genügt.« Er führte sie zwei Treppen nach oben in den zweiten Stock. Die Stufen endeten in einem spärlich beleuchteten Gang, von dem zu beiden Seiten jeweils drei Türen abzweigten.
»Die ersten beiden Zimmer«, Mashdin deutete auf die entsprechenden Türen, »sind Gästezimmer für euch. Hinter der letzten Tür links liegt das Badezimmer.« Er blickte Serrashil in die Augen und wandte sich dann zur Treppe um. »Wenn du in den dritten Stock gehst, gelangst du in meine private Bibliothek. Solltest du die Zeit dazu finden, kannst du dich gerne darin umsehen. Es finden sich viele Werke über Kampfkünste darin, die meisten sind in der Sprache Urath geschrieben. Auf einem Tisch liegen Dokumente mit Übersetzungen, mit denen kannst du vermutlich mehr anfangen.«
Serrashil hob die Augenbrauen, erwiderte aber nichts darauf. Seitdem das Land Chaylia Uratha vor gut 150 Jahren eingenommen und sich einverleibt hatte, war Urath eine verbotene Sprache. Es war sicher schwer gewesen, an diese Bücher zu kommen.
»Lasst uns nun besser ins Esszimmer gehen. Ihr habt Paia bereits kennengelernt, sie ist eine Persönlichkeit für sich.« Mashdin lächelte.
Während sie nach unten gingen, fielen Serrashil die vier Zöpfe auf, die unter seinen restlichen Haaren gelegentlich zum Vorschein kamen. Einen ähnlichen trug auch Seran, doch seiner war deutlich länger. Serrashil wusste, dass sie etwas mit der Kultur der Utera zu tun hatten. Bei Mashdin musste es sich folglich ebenfalls um einen Utera handeln, auch wenn er teilweise nicht so wirkte. Ob es wohl so etwas wie Halb-Utera gab? Serrashil hatte noch nie von einem solchen Wesen gehört, aber wenn es möglich war, dass ein Mensch mit einem Elfen ein Kind zeugen konnte, würde es sicherlich nicht recht viel anders aussehen als Mashdin.
Er führte sie bis zum Ende des Ganges im Erdgeschoss und in den dahinterliegenden Raum. Das Esszimmer, wie Mashdin es genannt hatte, besaß beinahe das Ausmaß eines kleinen Speisesaales. Eine Tafel nahm den Großteil des Platzes ein, darum herum standen acht Stühle. An fünf davon war gedeckt, dazwischen standen zwei geflochtene Körbe mit etwas, das nach Fladenbrot aussah, und drei dampfende Töpfe. Verhungern würden sie sicher nicht.
Mashdin setzte sich ans Ende der Tafel und deutete Serrashil und Carath, sich ebenfalls niederzulassen. Sie tat es und atmete tief ein. Wie das duftete! In diesem Moment betrat Paia den Raum von einer anderen Tür aus, dicht gefolgt von einem Mann, der Carath nicht unähnlich sah. Serrashil musterte ihn aus den Augenwinkeln. Genau wie Carath war er unnatürlich bleich, doch seine Haut hatte einen leichten Graustich. Sein kurzes, zerzaustes Haar war von einem sehr hellen Blauton. Es musste sich bei ihm ebenfalls um einen Galdana handeln.
»Serrashil, Carath, darf ich vorstellen? Farva. Er lernt ebenfalls bei mir. Farva, das sind Serrashil und Carath. Sie werden für die nächsten Tage bei uns zu Gast sein«, stellte Mashdin sie einander vor. »Paia habt ihr ja schon kennengelernt.«
Der Winterelf blickte zuerst zu Carath und nickte ihm zu, dann trafen seine Augen die Serrashils. Ihr Herz setzte einen Schlag aus und sie konnte nicht anders, als ihn anzustarren. Seine Augen waren von einem intensiven Blau, das selbst das Meer daneben blass erscheinen ließe.
Farva ließ sich ihr gegenüber nieder, Paia setzte sich neben ihn. Ein Vogel mit weißem Gefieder flatterte in den Speisesaal und ließ sich auf der Lehne des fremden Galdana nieder.
»Wenn Carath nichts dagegen hat, könntest du dich seiner annehmen, während ich Serrashil unterrichte.« Mashdin sah erwartungsvoll von Farva zu Carath.
»Sicher«, erwiderte der Angesprochene, doch Carath schüttelte zu Serrashils Überraschung den Kopf.
»Ich werde mich selbst zu beschäftigen wissen.«
Mashdin neigte den Kopf. »Wie du wünscht.«
»Bist du dir sicher?«, fragte Serrashil wenig begeistert von seiner Antwort. Es war ihr deutlich wohler bei dem Gedanken, wenn dieser Farva ein Auge auf den Galdana hatte. Carath nickte jedoch bestätigend.
»Ich muss nachdenken.«
»Nun denn, lasst uns lieber essen, ehe Paias gutes Essen kalt wird.« Mashdin schenkte seiner Köchin ein breites Lächeln, das sie mit hochgezogenen Augenbrauen erwiderte.
»Sei froh, dass du etwas abbekommst. Das nächste Mal informierst zu mich gefälligst früher über Gäste.« Sie erhob sich ächzend und nahm mit einem Lappen die Deckel von den Töpfen. Der Duft des Inhalts
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