Die Winterchroniken von Heratia 1 - Der Verfluchte (German Edition)
zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht.«
»Er wird schon kommen, wenn er das Essen riecht.« Paia wandte sich wieder ihrer Arbeit zu und Serrashil trat ins Esszimmer nebenan. Ein süßlicher, aber nicht unangenehmer Geruch schlug ihr entgegen. Farva saß im Schneidersitz am Tisch, eine Pfeife im Mund und über eine Zeitung gebeugt. Der weiße Vogel saß wieder auf seiner Stuhllehne und musterte Serrashil aus schwarzen Knopfaugen.
»Guten Morgen«, grüßte sie ihn zögerlich.
Farva sah kurz auf, ehe er sich wieder seiner Zeitung widmete. »Morgen.«
Serrashil setzte sich auf denselben Stuhl wie beim Abendessen und stellte den Korb und den Krug vor sich ab. Ein Teller und ein Trinkglas befanden sich bereits an ihrem Platz, ebenso wie an Caraths. Sie schenkte sich von der Milch ein und nahm sich eines der Gebäckstücke, um vorsichtig davon abzubeißen. Es bestand aus einem lockeren, süßen Teig, der wie das Abendessen ungewohnt, aber lecker schmeckte.
»Hast du Carath heute schon gesehen?«, fragte sie Farva zwischen zwei Bissen.
Der Galdana blies Pfeifenrauch aus seinem Mund. »Ja. Der Welpe streunt alleine draußen herum.« Er betonte das Wort ‚alleine’ auffällig und ließ Serrashil dadurch stocken.
»Ist es gefährlich für ihn, wenn er alleine ist?«
Farvas Ohr zuckte. »Natürlich. Wo ist sein Haelra?«
Sie legte den Kopf schief. »Sein was?«
»Haelra.« Farva deutete auf den Vogel hinter sich.
»Einen Vogel?« Stirnrunzelnd dachte Serrashil nach. Sie hatte in Caraths Gegenwart weder einen Vogel gesehen, noch hatte er erwähnt, dass er einen besaß.
Der Galdana blickte sie einen Moment länger an, ehe er tief durchatmend weiterlas.
»Weißt du, wo ich Mashdin finde?«
»In seinem Arbeitszimmer.«
Serrashil nickte Farva dankend zu, auch wenn er es vermutlich nicht bemerkte, und brachte ihr benutztes Geschirr in die Küche, wo sie sich bei Paia nach Mashdins Arbeitszimmer erkundigte. Das Dienstmädchen gab ihr eine Wegbeschreibung durchs Haus und Serrashil bemühte sich, die Erklärungen so gut es ging zu behalten. Mashdins Anwesen war groß und sein Arbeitszimmer schien im hintersten Winkel davon zu liegen. So kam es ihr nach Paias Anweisungen zumindest vor.
Ein Teppich dämpfte ihre Schritte, während Serrashil dem düsteren Gang folgte. An den Wänden hingen kunstvolle Kerzenhalter, die nun als Halterungen für das Magische Feuer dienten. Das Gebäude musste sehr alt sein … Hin und wieder kam sie an Gemälden vorbei, die düstere Wälder, verschneite Landschaften oder Personen zeigten. Alle waren so aufwändig und detailgetreu gezeichnet, dass man sich bestimmt stundenlang in ihnen verlieren konnte. Serrashil riss sich jedoch bald wieder davon los. Immerhin hatte sie die weite Reise nicht auf sich genommen, um Mashdins Haus zu bewundern. Leider. Was es hier wohl alles zu entdecken geben mochte? Zauberhafte Gegenstände in staubigen Abstellkammern, verborgene Kellergewölbe, alte Bücher, Schätze … Serrashil seufzte und konzentrierte sich wieder auf den Weg, der vor ihr lag. Der antiquarische Flair dieses Anwesens ließ ihre Erkundungsfreude mit ihr durchgehen. Doch auch das bevorstehende Training mit Mashdin verursachte ein freudiges Kribbeln in ihrer Magengegend. Wie er wohl als Lehrmeister sein würde? Was mit Oren’si auf sie zukam?
Aufgeregt erreichte Serrashil endlich die Tür, hinter der laut Paias Beschreibung Mashdins Arbeitszimmer liegen musste. Sie atmete tief durch und klopfte.
»Herein«, kam es von drinnen und fegte ihre Bedenken hinweg. Serrashil drückte die Klinke hinab und betrat den Raum.
Das Erste, was ihr auffiel, war die Helligkeit des Zimmers, die von dem Fenster ihr gegenüber herrührte. Es nahm fast die komplette Breite der Wand ein und ließ die Strahlen der Morgensonne herein.
Mashdin saß an einem Schreibtisch und blickte ihr freundlich entgegen. »Bist du bereit für ein paar Stunden Einführung in Oren’si?«
Sie nickte und er erhob sich.
»Zieh dich warm an, es ist kalt draußen. Wir treffen uns in ein paar Minuten im Garten hinter dem Haus. Geh einfach durch die Tür gegenüber dem Eingang und folge dem Gang geradeaus, dann landest du dort.«
Serrashil tat, wie ihr geheißen, und so fanden sie sich kurze Zeit später in einem verschneiten Stück Garten ein. Um die Muskeln aufzuwärmen, liefen sie locker ein paar Runden an der Mauer entlang, die den Platz begrenzte. Anschließend dehnten sie sich, bis Mashdin ihr mit einem Handzeichen
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