Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Winterprinzessin

Die Winterprinzessin

Titel: Die Winterprinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
Vom Netzwerk:
Schlitten stand, mit dem ich bereits von der Mine der Odiyan zum Schloss gefahren war. Die beiden Inder stiegen mit Stanhope in ihrer Mitte ein und bedeuteten mir, ihnen zu folgen. Mehrere Pferde standen unweit des Schlittens am Waldrand und warteten auf ihre Reiter.
    Ich stieg in die Kabine des Schlittens und setzte mich gegenüber von Stanhope und den beiden Kriegern auf die Bank. Der Lord rang sich ein aufmunterndes Lächeln ab, zuckte aber nur mit den Schultern, als ich ihn fragend anblickte.
    Kurz darauf kehrten auch die Übrigen vom Ort des Überfalls zurück. Kala stützte mit ausdruckslosem Gesicht den gefesselten Gerard. Jade ging hinter ihnen und hielt Stanhopes gespannte Pistole auf den Franzosen gerichtet. Gerard wurde zu uns ins Innere des Schlittens geschoben, die Prinzessin kletterte hinterher und setzte sich neben mich. Kala band derweil die überzähligen Pferde hinten an den Schlitten, stieg auf den Kutschbock und gab den Rössern die Peitsche.
    Stanhope deutete mit einem Kopfnicken auf die Pistole, die Jade auf Gerards Seite gerichtet hatte. »Sie sollten den Hahn während der Fahrt nicht gespannt halten«, riet er. »Bei den Erschütterungen könnte sich ein Schuss lösen.«
    »Reizend, wie Sie sich um Ihren Freund sorgen«, entgegnete Jade bissig. »Ich hörte, Mitgefühl sei sonst nicht Ihre Art, Mylord.«
    Stanhopes Lächeln war wie aus Stein. »Schöne Frauen erinnern mich an meine guten Manieren.«
    Die Prinzessin verzog verächtlich die Lippen, gab aber keine Antwort. Für lange Zeit wurde kein Wort mehr gesprochen. Sicherlich eine Stunde lang glitten wir schweigend durch den Wald, und obgleich ich die Richtung nicht ausmachen konnte, so war mir doch, als kehrten wir nach Karlsruhe zurück.
    Als Kala die Pferde schließlich zügelte und man uns aussteigen ließ, war von der Stadt jedoch weit und breit nichts zu sehen. Stattdessen befanden wir uns immer noch mitten im Wald. Vor uns ragten die Mauern einer Ruine empor. Das Gestein war schwarz, ebenso der umliegende Boden. Es konnte noch nicht allzu lange her sein, dass hier ein Feuer gewütet hatte. Offenbar hatte die Flammenhölle die ehemaligen Bewohner dieses Ortes vertrieben, denn das ausgeglühte Anwesen schien verlassen.
    »Eine Abtei«, erklärte Jade. »Sie muss vor einiger Zeit niedergebrannt sein.«
    »Wie trefflich Sie das erkannt haben«, spottete Stanhope und bekam dafür von einem seiner Wächter einen Schlag in den Rücken. Stöhnend ging er in die Knie.
    Jade schenkte ihm ihr bezauberndstes Lächeln. »Sie sind ein rechter Spaßvogel, Mylord. Ich schätze Männer mit Humor.« Sie gab den Kriegern einen Wink. »Sperrt ihn in die Krypta unter der Kirche.«
    Ich wollte den dreien schon widerwillig folgen, doch Jade hielt mich am Arm zurück. »Das gilt nicht für Sie, Herr Grimm. Sie können sich frei bewegen.«
    »Zu liebenswürdig«, bemerkte ich knapp.
    »Ach, hören Sie auf«, entgegnete sie missmutig. »Niemand will Ihnen Böses. Sie sollten froh sein, dass ich Sie vor diesem Bastard bewahrt habe.«
    »Irgendwie wusste ich, dass Sie das sagen würden.«
    »Sie wollen ja nichts anderes als einen Feind in mir sehen.«
    »Welchen Grund das wohl haben mag?«
    »Nennen Sie ihn mir«, bat sie mit Unschuldsmiene.
    Ich schüttelte fassungslos den Kopf. »Sie überfallen uns, schießen auf den Kutscher, verschleppen uns an diesen Ort und erwarten von mir, dass ich Sie für meine Freundin halte? Ich bitte Sie, Prinzessin!«
    »Sind Sie so misstrauisch, weil Sie mich wirklich für Ihren Gegner halten – oder weil ich eine Frau bin?«
    »Sie scherzen.« Ich bemühte mich, zugleich empört und überlegen zu klingen, aber ich sah ihr an, dass sie meine Hilflosigkeit durchschaute. Um mir eine weitere Blöße zu ersparen, wandte ich mich ab und blickte hinüber zu Kala, der den humpelnden Gerard ins Innere der Ruine führte. »Was haben Sie mit ihm vor?«
    Jade bemerkte, dass sie immer noch Stanhopes Pistole in der Hand hielt. Beinahe erschrocken sicherte sie die beiden Hähne und legte die Waffe auf den Kutschbock des Schlittens. »Er wird uns das Ziel Ihrer Reise nennen.«
    »An Ihrer Stelle wäre ich dessen nicht so sicher.«
    »Oh, machen Sie sich keine Sorgen«, gab sie zurück, »er wird sprechen. Es gibt Mittel und Wege.«
    »Ich wusste es«, sagte ich abschätzig. »Sie sind nicht besser als die Odiyan.«
    »Falls Sie mich unbedingt beleidigen wollen, müssen Sie mit Überzeugenderem aufwarten. Im Gegensatz zu Ihnen kenne ich den

Weitere Kostenlose Bücher