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Die wir am meisten lieben - Roman

Die wir am meisten lieben - Roman

Titel: Die wir am meisten lieben - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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gesehen, was er zu sehen behauptet hatte? Hatte er im entscheidenden Moment, bevor sie das Feuer eröffneten, einen Mann beobachtet, der sich nach seiner Krücke bückte?
    Diese letzte Frage beantwortete Delgado ohne Zögern mit nein.
    McKnight hakte nach. Bei all dem Aufruhr, den jammernden Frauen, dem Gebrüll im Haus, wie konnte er da genau gehört haben, was Danny gerufen hatte? Konnte er sich verhört haben? Konnte er zum Beispiel falsch verstanden haben, was Danny Harker zugerufen hatte, bevor sie schossen? Hatte er vielleicht statt
Nimm deine verfluchte Waffe
zu rufen, Harker vor dem einbeinigen Mann warnen wollen und gerufen:
Er hat eine verfluchte Waffe
?
    Delgado blieb bei seiner Aussage. Was er gehört und gesehen habe, habe er bereits ausgesagt.
    Eine lange Pause entstand.
    »Gibt es einen Grund dafür, dass Sie Lance Corporal Bedford nicht mögen?«
    »Nicht mögen? Nein, Sir.«
    »Aber Freunde waren Sie nicht.«
    »Nein, eigentlich nicht.«
    »Eigentlich nicht. Am Nachmittag des zehnten Januar, zwei Wochen vor der fraglichen Nacht, belauschten Sie eine Unterredung |302| zwischen Lance Corporal Bedford und dem Private Peters in der Latrine des Stützpunktes. Erinnern Sie sich daran?«
    Delgado runzelte die Stirn und grinste, als sei das eine absurde Frage.
    »Warum amüsiert Sie meine Frage, Sergeant?«
    »Tut es nicht. Ich meine, ich … Nein, Sir. Ich erinnere mich nicht.«
    »Eine Unterhaltung, in deren Verlauf Lance Corporal Bedford eine leichtfertige Bemerkung über die Größe Ihres Penis machte?«
    »Nein, Sir.«
    »Ich werde Ihre Erinnerung ein wenig auffrischen. Es war kurz, nachdem Sie vor diesen beiden Männern über Ihre beeindruckende Fähigkeiten beim Bankdrücken gesprochen hatten.«
    »Daran kann ich mich nicht entsinnen.«
    »Auch nicht daran, dass Sie bei den Latrinen ungewollt mithörten, wie Lance Corporal Bedford sagte, Sie hätten diese Angeberei nötig, weil Ihr Penis klein sei?«
    »Nein, Sir.«
    »Ich glaube, der genaue Wortlaut war …« McKnight bezog sich auf das Dokument in seiner Hand.
»Er ist nicht größer als eine Eichel.«
    Wendell Richards erhob Einspruch. Scrase wies ab, bat McKnight, er solle fortfahren, da er nun sein Argument vorgetragen habe, eine Bemerkung, die im Saal allgemeines Schmunzeln hervorrief.
    »Worauf ich hinauswill, Sergeant Delgado, Sie haben Lance Corporal Bedford diese Bemerkung machen hören, und darum haben Sie ihn die folgenden zwei Wochen bis hin zur fraglichen Nacht immer wieder aus geringstem Anlass kritisiert. Ist dem so?«
    »Nein, Sir. Dem ist nicht so. So etwas würde ich nie tun.«
    »Das würden Sie nicht?«
    |303| »Nein, Sir.«
    McKnight wiederholte nun die beiden Anlässe, die Delgado zuvor moniert hatte. Was den ersten Vorwurf betraf, so zeigte sich, dass Danny sehr wohl sein Möglichstes getan hatte, um die Häuser zu sichern. Das Versäumnis, den Bericht pünktlich abzugeben, käme, wie der Sergeant widerwillig zugeben musste, immer wieder vor. Marty Delgado verließ den Zeugenstand und wirkte weit weniger beherrscht als noch zwei Stunden zuvor.
    Die Sitzung wurde unterbrochen. Bei Sandwiches und Saft verfolgten Gina, Dutch, Kelly, Danny und Tom die Bilder der Nachrichten auf dem Fernsehbildschirm; wie sie das Gerichtsgebäude betraten und die Fragen der Reporter ignorierten. Die Reporterin fasste den Wortwechsel über den Penis von Sergeant Marty Delgado bis ins Detail zusammen, ohne eine Miene zu verziehen. Tom konnte sich die Heiterkeit im Presseraum lebhaft vorstellen.
    Danny sah jetzt besser aus. Das Zucken in seinem Gesicht hatte aufgehört. Tom beobachtete ihn. Sein Sohn saß in einer Ecke mit Kelly, eine Hand auf ihrem Bauch, Sonnenstrahlen fielen durch das Fenster auf die beiden. Der Anblick weckte eine ferne Erinnerung, Tom wusste sie nicht zu deuten und auch, dass es generell sicherer war, es gar nicht erst zu versuchen.
    »Sie ist ein tolles Mädchen.«
    Tom wandte sich um. McKnight stand neben ihm. Er kaute an einem Sandwich und musterte die beiden. Tom lächelte und nickte.
    »Ja, das ist sie. Sie haben heute Vormittag gute Arbeit geleistet.«
    »Es war ganz okay. Die anderen Befragungen werden schwieriger werden.«
    »Sie meinen Harker?«
    »Hm. Klettern Sie?«
    |304| »Sie meinen, Felsen hinauf? Ab und an.«
    »Manchmal gibt es keine Felsvorsprünge oder keinen Halt für die Fußspitzen. Man sucht also nach Rissen – einen kleinen Riss, in den man seine Finger stecken kann oder seine Fußspitze. Delgado hatte

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