Die wir am meisten lieben - Roman
trat ein paar Schritte zur Seite.
»Ist ja gut, meine Süße«, sagte Cal. »Okay, Tom, jetzt langsam.«
Cal führte Tommys Stiefel in den Steigbügel und hob ihn sanft in den Sattel. Die ganze Zeit über sprach er leise mit dem Pferd. Es schüttelte den Kopf und trat ein paar Schritte zurück. Dann beruhigte es sich und stand still. Cal streichelte es weiter und sagte besänftigend, alles sei okay.
»Hey, Tom«, sagte Cal. »Toll, als hättest du es schon hundertmal gemacht. Gratuliere. Wie geht es dir?«
»Prima.«
»Ihr seht aus, als wärt ihr wie füreinander geschaffen. Wie wär’s, wenn du ein Stück auf ihr reitest?«
»Klar. Hi, Diane.«
»Sieh dich nur vor«, sagte Diane.
»Das Schwierigste hat er geschafft«, sagte Cal.
Er führte Tommy zweimal auf der Koppel im Kreis herum und fragte ihn danach, ob er es sich auch alleine zutraue. Tommy |330| nickte. Er drückte seinen Hut in die Stirn und nahm die Zügel. Als sie fast bei Diane waren, ließ Cal das Halfter los und blieb stehen. Sie sahen zu, wie Tommy noch dreimal im Kreis um den Platz ritt.
Die Sonne versank hinter den Bergen. Im purpurnen Zwielicht führten sie das Pferd auf die Weide vor der Blockhütte und zäumten es ab. Sie beobachteten es, wie es mit den anderen Jungpferden galoppierte, den Kopf leicht hin und her warf, als wolle es sagen, das gerade sei keine große Sache gewesen.
Im Haus trank Tommy ein Glas Milch und machte sich bettfertig. Cal saß an Tommys Bett und las ihm eine Geschichte aus einem alten Buch aus seiner Kindheit vor, das
Tales of the Blackfeet Nation
hieß. Diane machte es sich auf der Veranda auf einer alten Couch bequem. Sie konnte nicht alles hören, aber die Geschichte handelte von einem Jäger namens Little Teeth und seinen vergeblichen Versuchen, einen weisen, alten Elch zu fangen.
Nach dem Lesen kam Cal heraus, und Diane ging zu Tommy, um ihm gute Nacht zu sagen.
»Junge, du hast toll auf dem Pferd ausgesehen.«
»Wirklich?«
»Weißt du, wem du ähnlich gesehen hast?«
»Wem?«
»Flint McCullough.«
»Ja ja.«
»Doch. Ich schwöre. Das reinste Spiegelbild.«
Diane strich ihm über die Stirn. An seinem Haaransatz war ein weißer, schmaler Streifen vom Schatten des Hutes.
»Diane?«
»Was denn, Liebling?«
»Wie lange werden wir bleiben?«
»Ach, ich weiß nicht.«
»Können wir für immer bleiben?«
»Vielleicht.«
|331| »Das sagst du immer, wenn du eigentlich nein meinst.«
»Ich meine nicht nein. Ich meine nur, dass wir ein andermal darüber reden sollten.«
Sie gab ihm einen Gutenachtkuss und ging hinaus zu Cal. Er umarmte sie und küsste sie auf die Wange. Eine Weile schwiegen sie. Die Berge hoben sich als Silhouette gegen den Himmel ab, der bald von Sternen übersät sein würde. Eine Eule rief irgendwo am Fluss. Diane fröstelte.
»Ist dir kalt?«
»Ein bisschen.«
Sie schmiegte sich an ihn. »Hast du gehört, was Tommy mich gefragt hat?«
»Ob ihr für immer bleibt?«
»Ja.«
»Die Antwort würde mich auch interessieren.«
»Du kennst die Antwort.«
Später, nachdem sie sich geliebt hatten und Cal neben ihr eingeschlafen war, lag Diane wach und lauschte dem Jaulen der Kojoten, die durch das Buschwerk hinter der Weide streiften. Sie dachte an das, was sie in den Nachrichten gehört hatte.
Old John Matthieson hatte solche Angst vor einem bevorstehenden Dritten Weltkrieg, dass er seinen eigenen Atombunker baute. Er hatte ein großes Loch jenseits der Ställe gegraben und mit Zement ausgegossen. Das Dach war noch nicht fertig, aber der Vorrat lag schon in der Scheune: zwanzig verzinkte Mülltonnen, die Rose mit Hunderten von Dosen Thunfisch, Corned Beef und Pfirsichen gefüllt hatte. Weitere zwanzig sollten mit Wasser gefüllt werden. Cal hatte geholfen, machte aber keinen Hehl daraus, dass er die ganze Unternehmung für reine Zeitverschwendung hielt. Wenn die Bombe wirklich fiele, sagte er, wären sie tot, bevor sie bis eins zählen könnten.
Einen der schönsten Ausflüge zu Pferd machten sie zum Dinosaurierfriedhof, wie Cal es nannte. Er lag hinter der großen |332| Weide auf der anderen Seite des Baches, Badlands, wo so viele Fossilien und Knochen und schöne Achatsteine zu finden waren, dass man sich nur zu bücken brauchte. Cal sagte, eine Naturkatastrophe müsse schuld daran gewesen sein, dass so viele tote Kreaturen an einem Ort lagen.
Eines Nachmittags im September, als die Tage kühler wurden und die Blätter der Pappeln sich gelb färbten, ritten sie wieder
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