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Die wir am meisten lieben - Roman

Die wir am meisten lieben - Roman

Titel: Die wir am meisten lieben - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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lebte allein mit seinem Hund, und es gefiel ihm so. Manchmal fühlte er sich einsam und vermisste eine Partnerin, die körperliche Nähe. Nicht, dass viel von beidem am Ende mit Gina noch übrig gewesen wäre.
    Das Haus, das sie gemeinsam gebaut hatten, lag an der Biegung eines Baches etwa eine Meile östlich der Stadt. Als er um die letzte Ecke bog, fiel das Scheinwerferlicht auf eine kleine |52| Gruppe Rehe mitten auf der Straße. Tom hielt und beobachtete die Tiere, bis sie zwischen den Bäumen verschwanden. Es war Frühlingsanfang und Neumond. Er stieg aus dem Auto und stand lange in der Auffahrt, betrachtete die Sterne und lauschte dem Rauschen des Baches.
    Makwi rannte auf ihn zu wie immer, wenn er zur Tür hereinkam. Makwi war eine Promenadenmischung – schottischer Hirschhund, Windhund und Collie. In England oder Irland sagte man Lurcher dazu. Sie hatte ein scheckiges Fell und das größte Herz, das ein Hund haben konnte. Tom kniete sich hin. Sie schnüffelte an seinem Gesicht, er streichelte ihren Nacken und ihre Ohren und sagte ihr, gleich gehe er mit ihr spazieren. Die Hündin folgte ihm in die Küche und sah ihm zu, wie er sich ein Glas Milch einschenkte. Der Anrufbeantworter auf dem Tresen blinkte. Vier Nachrichten. Er drückte den Abspielknopf, wartete, bis das Band zurückgespult war, und zog sein Handy hervor. Er hatte es bei Troops Vortrag ausgeschaltet und vergessen, es wieder anzuschalten. Zwei Voicemails.
    Alle sechs Nachrichten waren von Gina. Seit über einem Jahr hatten sie nicht miteinander gesprochen. Ihre Stimme klang angespannt und voller Sorge, weil sie ihn nicht erreichen konnte. Sie sagte nicht, warum sie so dringend mit ihm sprechen wollte. Das musste sie auch nicht. Es konnte nur einen Grund geben: Irgendetwas musste mit Danny passiert sein.

|53| VIER
    Die Schauspieler standen in einer Reihe und hielten sich an den Händen. Der purpurrote Samtvorhang trennte sie einen Moment lang von dem gleißenden Licht. Es war der vierzehnte Vorhang; der Applaus schien mit jedem weiteren anzuschwellen. Dianes Brust hob und senkte sich vor freudiger Erregung. Das Adrenalin schoss ihr durch die Adern. Ihr wurde schwindelig, ihr Körper ganz leicht. Sie sah zu Gerald, der rechts neben ihr stand und grinste und ihre Hand drückte. In dem Moment hob sich der Vorhang erneut. Sie schaute in das grelle Scheinwerferlicht und das nebelhaft verschwommene Publikum.
    Rufe ertönten.
Bravo!
Trotz des blendenden Lichts sah Diane, wie die Leute im Parkett und im ersten Rang sich von ihren Stühlen erhoben und mit den Händen über ihren Köpfen klatschten. Sie wartete darauf, dass Gerald, der Star der Besetzung, als Erster vortrat. Er aber ließ ihre Hand los und fing an zu klatschen, und plötzlich klatschten die anderen auch. Diane wurde bewusst, dass der Applaus ihr galt. Dass dieser Vorhang ihr gehörte, ihr allein. Zum allerersten Mal. Sie trat zögernd einen Schritt vor. Einen Moment lang stand sie da, die Arme gesenkt, strahlend und zu Tränen gerührt. Sie verbeugte sich und machte einen Knicks. Das Publikum tobte.
    Fortune’s Fool
stand erst seit zwei Wochen auf dem Spielplan. Diane konnte immer noch nicht glauben, wie gut das Stück aufgenommen wurde. Niemand hatte damit gerechnet. Nicht einmal Gerald, der schon eine Reihe von West-End-Erfolgen für sich hatte verbuchen können und von dem jede Nacht eine Horde von Fans am Bühneneingang ein Autogramm erbettelte. |54| Die Laufzeit war komplett ausverkauft, die Kritiken waren hymnisch. Sogar der notorische alte Griesgram Harold Hobson war begeistert. Vor allem aber bejubelten sie Diane. »In ihrem West- End-Debüt«, schrieb Kenneth Tynan im
Observer
, »kann Diane Reed nur als elektrisierend bezeichnet werden … eine leuchtende Ausstrahlung, die sogar ihre wunderbaren Mitspieler beinahe in den Schatten stellt.«
    John, der Autor des Stückes und unverbesserlicher Misanthrop, hatte sie während der Proben nicht einmal angelächelt oder auch nur ein Wort an sie gerichtet. Jetzt hatte er ihr einen der üppigsten Rosensträuße geschickt, den sie je gesehen hatte. Anbei eine leicht beunruhigende Nachricht, er arbeite bereits an einem neuen Stück, zu dem Diane ihn
inspiriert
habe, und an einer Rolle, die nur sie spielen könne.
    Gerald, eigentlich der Star der Show, hatte auf den Diebstahl seines Ruhmes außergewöhnlich gelassen reagiert und seine wochenlangen Versuche, in ihre Höschen zu kommen, verstärkt. Vielleicht dachte er, sie schulde ihm

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