Die wir am meisten lieben - Roman
Einmarsch spielte. Er prangte auf der Titelseite von
People Magazine
dieser Woche, und Tom hatte ihn im Fernsehen in der Sendung
Today
gesehen. Das Buch wurde bereits verfilmt. Der Held war derselbe wie in den drei vorangegangenen Büchern, zugeschnitten auf den Geist der Zeit (Brad Bannerman, der ehemalige Agent einer Sondereinheit, gefährlich, aber mit dem Herz eines Dichters, war irrtümlicherweise unehrenhaft für eine verkannte Heldentat entlassen worden et cetera). Tom hatte keines der Bücher gelesen. Es war schwer genug, sie auf dem ersten Platz der Bestsellerliste stehen zu sehen, er wollte nicht auch noch zugeben müssen, dass sie ziemlich gut waren. Jedenfalls laut der Kritik. Nichts war ärgerlicher als ein schreibender Kollege, der Millionen Exemplare verkaufte und gute Kritiken bekam.
Kein vernünftiger Verleger würde einen so bekannten Autor wie Troop auf Lesereise nach Montana schicken. Weniger als eine Million Leute lebten hier, und die meisten hatten Besseres |47| zu tun, als Bücher zu lesen. Nein, Troops Anwesenheit an diesem Abend, die Rückkehr des berühmten Autors an den Busen seiner Alma Mater, der Universität von Montana in Missoula (der er offenbar bereits eine üppige Spende hatte zukommen lassen – man konnte die neuen Flügel der Bibliothek geradezu wachsen sehen), hatte nichts mit dem Verkauf von Büchern zu tun. Es war, so musste es sein, ein Akt herablassender Eitelkeit.
Troop war bei weitem der erfolgreichste Romanautor, den das Creative Writing Program der UM je hervorgebracht hatte. Als Tom sich Mitte der siebziger Jahre einschrieb, studierte Troop im dritten Jahr und war bereits berühmt. Er hatte Kurzgeschichten an
The New Yorker
verkauft und stand vor der Veröffentlichung seines ersten Romans. Mit seinen ein Meter fünfundneunzig Körpergröße überragte er buchstäblich alle und jeden. Wie immer war er auch an diesem Abend ganz in Schwarz gekleidet. Es war eine Art Markenzeichen. Der schwarze Bart und das wallende schwarze Haar waren ein wenig angegraut, aber das, musste sich Tom eingestehen, verlieh ihm nur noch mehr Seriosität. Beide waren sie Mitte fünfzig, aber Tom sah man es an.
Wochenlang hatten Plakate mit Troops attraktivem Gesicht die ganze Stadt geschmückt. Der Vortrag heute Abend im größten Auditorium der Universität war ausverkauft gewesen. Manche Leute hatten stehen müssen. Die Rede war geradezu aufreizend geistreich, bescheiden und interessant gewesen, und beim Applaus am Ende hatten die Scheiben der Fenster gezittert. Zum Champagnerempfang anschließend war man nur mit Einladung zugelassen.
Tom suchte einen geeigneten Platz, wo er sein Glas abstellen konnte, er wollte gehen, als er die Frau bemerkte, die direkt vor ihm stand. Sie lächelte zaghaft und hatte offenbar versucht, seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, während er Troop missmutig beobachtet hatte.
|48| »Sie sind Thomas Bedford, nicht wahr?«
»Ja, der bin ich. Entschuldigen Sie, ich …«
Die Frau reichte ihm ihre Hand, und er schüttelte sie ein wenig zu heftig. Seine fünf Jahre alte Dokumentarfilmserie über die Geschichte und Kultur der Blackfeet-Indianer war erst kürzlich wieder auf PBS ausgestrahlt worden. Vielleicht erkannte sie ihn deshalb. Vielleicht hatte sie auch einen seiner seltenen Vorträge an der UM besucht. Sie war auf unauffällige Weise hübsch. Ende zwanzig, schätzte er, vielleicht dreißig. Heller Teint mit vielen Sommersprossen, volles braunes Haar, das sie mit einem Seidenschal zusammengebunden hatte. Tommy zog seinen Bauch ein und lächelte.
»Karen O’Keefe«, sagte sie. »Wir haben denselben Zahnarzt. Ich habe Sie dort vor ein paar Wochen gesehen.«
»Ah.«
Er versuchte seine Enttäuschung zu verhehlen. Eine peinliche Pause entstand.
»Hat Ihnen der Vortrag gefallen?«, fragte sie.
»Ach, Troop macht immer eine gute Figur.«
»Sie sind befreundet?«
»Nicht direkt. Wir haben denselben Kurs für Kreatives Schreiben hier besucht. Er war ein paar Jahre weiter als ich«, fügte Tom noch hinzu.
»Ich könnte ihm eine reinhauen.«
Jetzt war Tom neugierig. Er lachte.
»Wirklich. Warum?«
»Ach, ich weiß nicht. Diese ganze gespielte Bescheidenheit. Ein Blinder mit Krückstock sieht, dass sein Ego so groß ist wie der Mount Everest. Wenn er einen einzigen guten Satz schreiben könnte, würde ich vielleicht großzügiger urteilen.«
Tom lächelte, bemüht, nicht allzu zufrieden auszusehen.
»Schreiben Sie?«, fragte er.
»Ich mache Filme – wie
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