Die wir am meisten lieben - Roman
war eine linkische von Pickeln heimgesuchte Kreatur, für den Katie eine unerklärliche Zuneigung entwickelt hatte. Henry hatte Zigaretten besorgt, filterlose, starke |101| Players, die sie tapfer pafften, ohne einen Hustenanfall zu bekommen. Die Jungen liefen etwa zehn Meter vor den Mädchen und unterhielten sich über Cricket und ob Englands Denis Compton mit der australischen Legende Donald Bradman zu vergleichen war.
Trotz des Abstands zwischen ihnen zweifelte niemand am Zweck dieser Wanderung. Er lag so unverhohlen in der Luft wie der Duft des Farnkrauts. Keines der beiden Mädchen war eine Anfängerin. Die Sonntagnachmittage in diesem Sommer hatten schon etliche Fummeleien im Gras gesehen, das sie sich später gegenseitig aus dem Haar zupften. Katie war – davon war Diane überzeugt – schon viel kenntnisreicher in diesen Dingen, denn sie behauptete, mit Henry Littlemore Dinge gemacht zu haben, von denen Diane sich nur eine vage Vorstellung machen konnte.
Die Jungen diskutierten angeregt, als Katie Diane aus heiterem Himmel fragte, ob sie und David es schon
gemacht
hätten.
»Katie, nicht so laut!«
»Die hören doch gar nicht zu. Und?«
»Natürlich nicht!«
»Wieso
natürlich
? Wir schon.«
»Das glaube ich nicht.«
»Na ja, mehr oder weniger.«
»Ich glaube nicht, dass es ein Mehr oder Weniger gibt, wenn es … Na, du weißt schon.«
Katie trat die Zigarette aus. Die Felder lagen wie eine Patchworkdecke in der Ferne. Die Luft flimmerte, Lerchen trillerten.
»Du traust dich nicht.«
Diane lachte.
»Oder hebst du dich für den Märchenprinzen auf, den du heiraten wirst?«
Der spöttische Ton verlieh der Sache etwas so Langweiliges und Spießiges, dass Diane auf keinen Fall zugeben wollte, dass es so war.
|102| »Für David wäre es nicht das erste Mal«, sagte sie stattdessen.
»Woher weißt du das? Jungs lügen immer und tun so, als hätten sie es schon getan.«
»Ich glaube ihm. Er hat es letzten Sommer in Kenia gemacht. Mit einer Eingeborenen.«
»Meine Güte!«
»Ich weiß.«
»Du traust dich nicht.«
Das Komische war, Diane war nicht eine von den gestörten Mädchen (in Elmhurst gab es davon einige), die einer Mutprobe nicht widerstehen konnte. Sie wägte stets Spaß und Konsequenzen, sollte sie erwischt werden, gegeneinander ab, an diesem Nachmittag tat sie es aber aus irgendeinem Grunde nicht. Eine halbe Stunde später, als sie ein einsames Plätzchen erreicht und jedes Paar sich ein eigenes diskretes Liebesnest zwischen den Farnen gesucht hatte, lag Diane auf dem Rücken, und dieser Fremde machte sich an ihren Anziehsachen zu schaffen, küsste ihre Brüste und streichelte langsam ihren Schenkel.
In diesem Augenblick hätte sie ihm Einhalt gebieten müssen, doch sie half ihm sogar beim Herunterziehen ihrer Schulschlüpfer, sah zu, wie er mit seinen Knöpfen kämpfte und dann seine Hose hinunterzog. Sie hatte kunstvolle Abbildungen von Penissen gesehen, sicher, aber noch nie einen echten. Der Anblick war so komisch, dass sie kichern musste. Davids Gesicht verfinsterte sich, er wurde rot und sah ihr nicht in die Augen, legte sich nur auf sie und suchte zaghaft, so als erwarte er, jeden Moment gescholten zu werden, seinen Weg in sie.
Diane hatte gehört, dass es weh tun werde, aber es war nicht so schlimm, wie sie erwartet hatte. Das Stoßen war quälender als der plötzliche stechende Schmerz. Und es war vorüber, bevor es überhaupt begonnen hatte. David keuchte und zuckte, sie spürte seinen Strahl, dann ließ er sich von ihr herunterrollen in den abgeknickten Farn. Er sah bekümmert aus, elend und beschämt. |103| Sie lächelte, streichelte sein Gesicht und gab ihm einen Kuss auf die Stirn. Danach lag sie da, starrte die reglosen Wolken an, lauschte dem unablässigen Gezwitscher der Lerchen und fragte sich, warum diesem merkwürdig enttäuschenden Akt soviel Zauber und Wichtigkeit beigemessen wurden.
Fast drei Monate später kannte sie die Antwort. Ihre Mutter, die bei Krankheiten nie viel Verständnis zeigte (es sei denn, es waren ihre eigenen) unterstellte ihr, dass die morgendliche Übelkeit zu einem ausgeklügelten Plan gehörte, um die Rückkehr in die Schule hinauszuzögern. Erst im September, als schließlich der Hausarzt in der Angelegenheit, von der sie alle, auch Diane, angenommen hatten, es handele sich um eine Magengrippe, zu Rate gezogen wurde, dämmerte es langsam.
Dr. Henderson war Schotte. Aus seiner Nase wuchsen fuchsrote Haare, er trug eine Halbmondbrille
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