Die wir am meisten lieben - Roman
keinen Vorwurf. Mein Gott, wenn er zwanzig Jahre jünger wäre, dann müsste er nicht lügen. Und er wäre nicht festgefahren und müsste so tun, als wäre er der Mann mit der weißen Weste, der ehrenhafte Held, den er hasste. Die Filmindustrie hatte begriffen, dass Stars auch schmutzige Gesichter und eine noch schmutzigere Vergangenheit haben durften. Aber das Fernsehen befand sich in einer Zeitschleife, und es herrschte noch immer die Annahme, dass Amerika diese lächerlichen Saubermänner bevorzuge, Helden, die niemals furzten oder aufs Klo mussten.
Angesichts dessen konnte er noch immer nicht glauben, dass er es geschafft hatte, eine Klassefrau wie Diane zu finden und sie auch festzuhalten. Sie war jung, bildschön und talentiert, sie konnte jeden haben. Zum Beispiel diesen arroganten Arsch McQueen, der ihr an jenem Tag vor Schwab’s schöne Augen gemacht hatte und dessen mieser Film
The Magnificent Seven
offenbar auf der ganzen Welt aufreizend gut ankam. Auf der Party von Kanter – wie auf allen Partys, auf denen Ray mit ihr gewesen war – überschlugen sich die Kerle geradezu, um ihre Aufmerksamkeit zu erregen. Trotzdem schien Diane nur Augen für ihn zu haben, bis diese Kuh Louella Parsons ihre fette Nase in seine Angelegenheiten gesteckt hatte. Herrje, Diane wollte ihn sogar heiraten.
|191| Ray war nicht auf den Kopf gefallen. Schnell hatte er begriffen, dass er ihr Herz über Tommy erobern konnte. Sie fühlte sich schuldig, weil sie jahrelang so getan hatte, als sei sie die Schwester des Jungen, und sie tat alles für ihn, um die Sache wiedergutzumachen. Schon beim ersten Mal, als er die beiden auf der Schulfeier zusammen erlebt hatte, bemerkte er, wie Diane dahinschmolz, sobald er einen Wirbel um Tommy machte. Bald danach wurde ihm klar, wie verzweifelt sie sich einen Vater für Tommy wünschte und ein richtiges Familienleben. Und der Junge war verrückt nach Cowboys. Also welchen besseren Anwärter für den Job als Ray Montane gab es denn?
Wenn er es so darstellte, klang es kalkulierend, als wäre das Kind der Preis, den er zahlen musste, um Diane zu bekommen. So war es aber nicht. Natürlich hatte sich Ray oft gewünscht, es gäbe nur ihn und Diane, ohne Anhang. Aber in den letzten Monaten hatte sich sein Herz für den Jungen erwärmt. Okay, Tommy war ein wenig sonderbar, aber er lernte schnell und war nicht so schwächlich, wie es anfangs den Anschein gehabt hatte. Im Gegenteil, er war sogar ein ziemlich zäher Bursche.
Ray war noch immer benommen von dem, was letzte Nacht und dann am Morgen geschehen war. Der beste Sex, den er je gehabt hatte. Und nach einer solchen Nacht, nahm er an, sei ihm verziehen und alles wieder in Ordnung. Aber am Morgen hatte Diane ihre Sachen gepackt und gesagt, sie und Tommy zögen aus und wohnten wieder in ihrem kleinen Apartment. Beim Gehen sagte sie, kalt und zynisch, er könne sie wissen lassen, wenn er nicht mehr verheiratet sei. Er hatte keine Ahnung, was sie Tommy erzählt hatte, aber das arme Kind sah nicht besonders glücklich aus, als sie abfuhren.
Beim Verhör letzte Nacht hatte er ihre Fragen mehr oder weniger wahrheitsgemäß beantwortet. Und wenn sie besser gefragt hätte, hätte er wahrscheinlich noch viel mehr erzählt. Vielleicht hätte er ihr sogar gestanden, dass er eine Tochter hatte. Vielleicht |192| hätte er das tun sollen, damit es aus der Welt war. Oder vielleicht auch nicht. Jedenfalls wäre das wahrscheinlich der Tropfen gewesen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hätte. Außerdem bestand keine Gefahr, dass Diane es herausfand. Er kannte das Mädchen kaum, hatte sie jahrelang nicht gesehen. Mann, er würde sie nicht einmal erkennen, wenn er ihr auf der Straße begegnete. Und sie wusste von dieser Hure einer Mutter, dass sie nicht anrufen oder ihm irgendwelche Scherereien machen sollte.
Die Tür zum Colonel öffnete sich. Ray hörte Gelächter. Ein Agent, dessen Namen er sich nie merken konnte, einer von Lew Wassermans MCA-Fußsoldaten, kam aus dem Büro, begleitet von einer hübschen, jungen Braut in einem gelben Kleid und mit zu viel rotem Lippenstift. Irgendeine junge Schauspielerin, die soeben einen Vertrag bekommen hatte und zweifellos bald den geheimen Treppenaufgang hinaufklettern würde. Jack Warner hatte seinen Arm um sie gelegt. Sie sahen alle so verdammt selbstzufrieden aus – es konnte einem hochkommen.
Zaghaft winkend und mit vielsagenden Blicken schritten der Agent und die Schauspielerin die Treppen hinunter. Warner
Weitere Kostenlose Bücher