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Die wir am meisten lieben - Roman

Die wir am meisten lieben - Roman

Titel: Die wir am meisten lieben - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Der Wind frischte auf und drehte landeinwärts. Die Wellen wurden größer und wirbelten den Hund herum, aber er kam jedes Mal mit dem Stock zurück.
    Als Danny fortfuhr, war seine Stimme leiser. Tom musste sich zu ihm beugen, um ihn zu verstehen. Er sagte, es sei vielleicht für Tom schwer zu verstehen, wie überdreht sie alle gewesen waren in jener Nacht. Er sagte, er könne das Bild seines blutüberströmten Freundes einfach nicht vergessen. Von Ricky, der lächelnd vor ihm lag und versuchte, üble Witze darüber zu reißen, dass ihm die Eier weggeblasen worden waren. Danny war voller Hass und Angst, und allein Gott wusste, was er noch gefühlt hatte. Sein Kopf wollte explodieren.
    Dann befahl Delgado ihm und einem jungen Soldaten namens Eldon Harker, die Leute zu bewachen. Er und die drei anderen Marineinfanteristen würden das Haus durchsuchen. Danny widersprach, denn er hatte den Mann gesehen, der auf sie geschossen hatte, und es schien ihm nur logisch zu sein, dass er mitsuchte. Aber Delgado sagte, er solle das Maul halten und tun, was ihm befohlen worden sei. Harker stammte aus Cleveland, es war sein erster Einsatz. Danny kannte ihn kaum. Der arme Kerl machte sich fast in die Hose.
    Delgado führte die anderen in das Haus und ließ die beiden im Hof zurück. Einen Augenblick später drehte der Apache ab und flog davon. Danny machte den Fehler, hochzuschauen, und wurde von dem Scheinwerferlicht geblendet. Plötzlich Schreie aus dem Bauernhaus, splitterndes Glas und dann Gewehrsalven.
    Als er wieder zu der erbärmlichen Schar Gefangener blickte, immer noch halb blind von dem grellen Licht, bewegte sich jemand |213| hinter einer der Frauen mit einem Baby. Es war ein Mann, nur ein wenig jünger als die anderen, und Danny war sich sicher – fast sicher –, dass der vorher dort nicht gewesen war.
    »Er trug ein weißes Hemd und eine weiße Hose und sah mir direkt in die Augen. Ich dachte: Heilige Scheiße, das ist er, das ist der Typ, den wir verfolgt haben. Der kleine Wichser hatte bloß die Tarnjacke ausgezogen und sich unter die Gruppe gemischt, um unschuldig zu wirken. Dann fing Harker an zu brüllen, und ich dachte, er denkt dasselbe wie ich.«
    Alles habe nicht länger als ein paar Sekunden gedauert, sagte Danny. Ein in die Länge gezogener Moment. Man konnte dem Mann ansehen, dass er wusste, er war überführt. Er zitterte, bewegte sich rasch hin und her, als wolle er wegrennen. Dann, auf einmal, bückte er sich. Harker brüllte erneut, und eine der Frauen kreischte, und Danny hörte – ganz deutlich – ein Klicken. Offenbar eine Waffe, die gezogen wurde. Dann sah er sie.
    »Da war es, das Funkeln eines Laufs in Hüfthöhe der Frau. Der kleine Arsch hatte das AK aufgehoben und wollte losballern.«
    Danny schrie, und beide, er und Harker, eröffneten das Feuer mit ihren M16.
    Sieben Tote. Ein alter Mann, drei Frauen, ein fünfjähriges Mädchen und ein Säugling, ein Junge. Und der Mann, der nach seiner Waffe gegriffen hatte. Allein, es war keine Waffe. Nur eine Krücke aus Metall. Der Mann war Invalide, hatte nur ein Bein.
    Das kleine Mädchen und der Junge lagen nebeneinander, ihre Körper waren blutüberströmt und von Kugeln durchsiebt, nur die Gesichter waren unversehrt. Die Augen des Mädchens standen offen. Dieses Bild hatte sich in Dannys Hirn eingebrannt.
    |214| »Ich sehe ihr Gesicht jede Nacht«, flüsterte er. »Immer wenn ich die Augen schließe, ist sie da und starrt mich an.«
    Tom zog seinen Sohn an sich.
    Erst nach einer Ewigkeit sprachen sie wieder. Sie lauschten dem Rauschen der Wellen und beobachteten, wie die Sonne im Ozean versank.
    »Sie werden mich aufhängen, Dad. Sie werden mich hängen und im Wind baumeln lassen.«

|215| ACHTZEHN
    Toms Flug ging erst am Nachmittag des nächsten Tages. Er nahm sich ein Zimmer in einem Hotel, das W hieß und in Westwood lag. Das Zimmer war luxuriös und ungefähr so groß wie ein Wandschrank. Er war müde, aber die Gedanken drehten sich, und er konnte nicht einschlafen. Er begab sich in die Lounge. Dunkle Spiegel und gedämpftes Licht, die Gäste halb so alt wie er und unwahrscheinlich gutaussehend. Er setzte sich an die Bar und bestellte ein Mineralwasser. Zum ersten Mal seit Jahren sehnte er sich nach etwas Stärkerem.
    Später legte er sich halb angezogen aufs Bett und sah sich Jay Leno im Fernsehen an. Der Talkmaster interviewte einen stoppelbärtigen Schauspieler, den Tom nicht kannte. Er versuchte sich zu konzentrieren, aber es gelang ihm

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