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Die wir am meisten lieben - Roman

Die wir am meisten lieben - Roman

Titel: Die wir am meisten lieben - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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sich, legte die Kopflampe auf die Bank und nahm Diane unbeholfen in den Arm. Sein Geruch, eine Mischung aus Rauch, Seife und eingemottetem Tweed, versetzte sie zurück in ihre Kindheit und ließ sie noch trauriger werden. Sie schluchzte an seiner Schulter.
    »Ich habe ihr Leben zerstört«, sagte sie.
    »Nein, nein.«
    Er strich ihr übers Haar. Seine Stimme war ein raues Flüstern.
    »Doch, das habe ich.«
    »Nein, nicht du. Das war sie ganz allein.«

|205| SIEBZEHN
    »Es passierte in einer Donnerstagnacht«, sagte Danny. »Ein paar Tage war es ziemlich ruhig gewesen. Vereinzelte Granatenangriffe auf den Stützpunkt, nichts Ernstes, niemand wurde verletzt. Einer der Jungen hatte Geburtstag, und ein Kumpel von ihm hatte in der Küche einen super Schokoladenkuchen gebacken. Mit vollen Bäuchen und guter Dinge rückten wir aus.«
    Er machte eine kurze Pause und blickte aufs Meer. Die Wellen waren größer geworden. Ein heißer Wind war aufgekommen, vertrieb den letzten Rest Dunst und erfüllte die Luft mit Salzgeruch. Tom und Danny saßen im Schatten einer windschiefen Palme im Sand; ihre Schuhe trockneten neben ihnen. Danny hatte die nassen Hosen bis zum Knie hochgekrempelt und strich den Sand von den Beinen. Tom wartete darauf, dass er fortfuhr.
    Zuerst konnte er Danny nicht recht folgen. Sein Sohn benutzte so viele militärische Ausdrücke, es war manchmal, als spreche er eine Fremdsprache. Er kannte NCOs und RPGs, aber bei IED (improvisierter explosiver Apparat) und NVG (Nachtsichtbrille), QRF (schnelle Eingreiftruppe) und SAW (Squad Automatic Weapon – M249, leichte Maschinengewehre) musste er ihn unterbrechen und fragen. Danny lachte, als Tom fragte, was WTF bedeute (what the fuck), und auch, als er wissen wollte, wie viele von ihnen im Hummer gewesen seien.
    »Was ist daran lustig?«
    »Das heißt Humvees, Dad. Hummer heißt, jemandem einen blasen.«
    |206| Tom beschloss, nicht mehr dazwischenzureden und sich die Geschichte anzuhören.
    Der Stützpunkt von Dannys Kompanie war etwa vierzig Meilen nördlich von Bagdad in einer verfallenen Lebensmittelfabrik untergebracht, die in eine Festung umgebaut worden war, verseucht von Ratten und Kakerlaken. Der Gestank war so übel, dass ihre Vorgänger sie wahrscheinlich darum
Mordor
getauft hatten. Rundherum war Ackerland; Weinberge, Obstplantagen, dazwischen Bewässerungsanlagen und nicht kartographierte Straßen und verstreut kleine Städte und Dörfer.
    Wie in den meisten Teilen des Landes hätten die Bewohner sie zunächst als Befreier mit offenen Armen empfangen, sagte Danny. Doch inzwischen drückten sie ihre Gefühle mit nächtlichen Granaten- oder Raketenangriffen aus oder, noch einfallsreicher, mit Straßenminen. Für gewöhnlich verwendeten sie 155 mm große Sprenggranaten, die im Standstreifen oder einer Wasserleitung versteckt waren, manchmal aber auch in einem Hunde- oder Ziegenkadaver, und ferngezündet wurden.
    »Die Granate, die uns in jener Nacht erwischt hat, steckte in einem toten Esel«, sagte Danny. »Kannst du dir das vorstellen? Wenn wir unsere Nasen benutzt hätten, hätten wir den Kadaver wahrscheinlich aus hundert Meter Entfernung riechen können.«
    Sie waren der QRF, der schnelle Eingreifverband, bestehend aus drei Humvees. Danny saß im dritten. Die im ersten Wagen hätten die Bombe sehen müssen und hätten sie wahrscheinlich auch gesehen, wäre es nicht fast Vollmond gewesen. Der Mond sei spät aufgegangen und riesengroß gewesen, sagte Danny, und habe krasse Schatten geworfen. Und in einem dieser Schatten, unter einem Baum am Rand einer trockenen Obstplantage, habe der Esel gelegen. In der mondbeleuchteten grünen Welt ihrer Nachtsichtbrillen habe er ausgesehen wie ein Erdhügel.
    »Ich sah gerade nach vorne, als die Bombe hochging. Es gab |207| ein gleißendes Licht, und der erste Humvee sprang in die Luft wie ein Rodeobulle. Die Druckwelle schleuderte mich aus meinem Sitz. Zuerst dachte ich, wir wären auch getroffen worden. Nachdem sich der Qualm verzogen hatte, sahen wir, dass der erste Wagen mit der Schnauze nach unten im Graben auf der anderen Seite der Straße lag. Die Hinterreifen drehten sich in der Luft. Der ganze Unterboden der rechten Seite war weggerissen, das Metall nach hinten gebogen, wie die Blätter einer seltsamen Blume.«
    Danny schüttelte den Kopf und schwieg eine Weile.
    »Dann war da dieses Nichts. Nur diese unheimliche Stille. Wir alle waren wie gelähmt und hatten nur einen Gedanken: Scheiße, ist das jetzt

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