Die wir am meisten lieben - Roman
gestürmt und bis in die Morgenstunden nicht zurückgekehrt.
»Komm, Diane. Tanzen wir.«
Chuck und Tony spielten »Let’s Twist Again«, und John war aufgesprungen und streckte ihr seine Hand entgegen. Diane lachte, erhob sich, und er führte sie zu der kleinen, heißen Sandfläche, die als Tanzfläche diente. Sie waren das erste Paar, und bald kamen vier oder fünf andere dazu. John war kein besonders guter Tänzer und stellte sich zusätzlich tollpatschig an, um sie zum Lachen zu bringen.
Diane blickte sich nach Ray um, konnte ihn aber nirgends |242| entdecken. Er hatte schon eine Menge getrunken und war laut geworden. Seine Augen hatten ihr verraten, dass er ziemlich bekifft war. Er wusste, wie sie es hasste, wenn er kiffte, und viele Male hatte er ihr versprochen, damit aufzuhören. Stattdessen schlich er sich davon und machte es heimlich. Wahrscheinlich auch jetzt wieder. Er hatte eine braune Papiertüte von dem Zeug in seinem Koffer, in dem er auch den Revolver aufbewahrte, der ihn aus irgendeinem Grund überallhin begleitete, sogar nach Vegas zur Hochzeit.
Dann erblickte sie Ray. Er betrat den Hof durch das Tor, das zum Parkplatz führte, in Begleitung von Denny, seinem neuen Kumpel, einem jungen Mann mit strähnigem Haar, der zum Team gehörte, das für die Kulissen zuständig war. Er trug eine Lederweste und eine Sonnenbrille, die er niemals abzusetzen schien. Sie hatten geraucht, das war unschwer zu erraten. Ray sah sie mit John tanzen, sie winkte, aber er wandte den Blick ab. Er lief direkt auf Tony und Chuck zu, und sie hörten auf zu spielen und stimmten »Johnny B. Goode« an. Wäre nicht der gemeine Ausdruck in seinen Augen gewesen, hätte Diane es komisch gefunden. John lächelte nur.
»Soll das eine Botschaft vom Meister sein?«
»Ich weiß nicht, was du meinst.«
Es erinnerte sie an jene Nacht auf Herbs Party, als er so eifersüchtig geworden war, weil sie mit Bill Holden getanzt hatte. Sie wollte verdammt sein, wenn sie sich von ihm herumschubsen und den Spaß verderben ließ. Sie nahm Johns Hand, und sie fingen an zu swingen. Bald gingen sie im Rhythmus auf, und die anderen fingen an, zu klatschen und zu rufen.
Ray beobachtete sie, aber es war ihr gleichgültig.
»Und … Action!«
Ray trat aus der Scheune, er trug einen Sattel und lief hinüber zu den Ställen. Die Kamera fuhr neben ihm her. Das Pferd war |243| angebunden. Er sollte den Sattel aufs Pferd schwingen. In dem Moment sollte Diane – Helen Dearborn – seinen Namen rufen und er sich zu ihr umdrehen. Ein wichtiger Moment. Harry sah die Frau zum ersten Mal, in die er sich verlieben würde. Es war Rays erste Großaufnahme. Diane war nicht im Bild, sie sollte nur ihre Zeile sagen – noch einmal. Es war der fünfte Take.
»Und Helen.«
»Sie müssen Harry sein«, sagte Diane.
Ray drehte sich um, sah sie an, seine Gesichtsmuskeln angespannt, die Braue leicht hochgezogen. Er hatte das viele Male bei Gary Cooper gesehen. Auch bei Cary Grant. Es war nicht das zweimalige Hinsehen, sondern das langsame Gewahrwerden, dass sein Bruder mit einer so schönen Frau verheiratet war.
»Und Cut«, sagte Terence Redfield.
Er kam hinter der Kamera hervor.
»Noch einmal, Leute.«
Die Frau von der Maske wollte Ray den Schweiß aus dem Gesicht tupfen, aber Redfield bat sie, ihnen eine Minute zu geben. Er legte den Arm um Ray und ging mit ihm ein paar Schritte zur Seite. Niemand sollte sie hören. Ray kochte vor Wut, aber er versuchte, es nicht zu zeigen. Es war die erste gemeinsame Szene mit Diane, und dieses kleine, arrogante Arschloch legte es darauf an, ihn vor ihr zu erniedrigen. Redfields Arm lag um seine Schultern, als sei er eine verdammte Vaterfigur oder ein Mentor.
»Ray, das war schon viel besser, aber –«
»Ist okay. Du hast es mir schon hundertmal gesagt.
Weniger ist mehr
, korrekt?«
»Ich will nur, dass du du selbst bist. Sie ist eine atemberaubende Frau. So, wie du sie ansiehst, ist vielleicht ein bisschen, nun –«
»Ein bisschen was?«
»Na ja, ein bisschen … zu viel.«
»Richtig,
weniger ist mehr
.«
|244| Über Redfields Schulter hinweg konnte Ray sie alle sehen, auch Diane. Sie gab vor, ihn nicht zu beachten, plauderte, ignorierte ihn geflissentlich. Sogar Tommy, der Cal mit dem Pferd zur Hand ging, vermied den Blickkontakt. Die Luft allerdings vibrierte vor Spannung.
»Ray, du hast ein starkes, ausdrucksvolles Gesicht; alles, was –«
»Hör auf mit dem Quatsch.«
»Entschuldige. Ich wollte nur
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