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Die wir am meisten lieben - Roman

Die wir am meisten lieben - Roman

Titel: Die wir am meisten lieben - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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im Kurs für kreatives Schreiben |255| eine Kurzgeschichte über einen Blackfeet-Jungen vorgelesen hast, der in einem Reservat lebt. Es war das Beste, was ich bis dahin gehört hatte. Ich weiß noch, dass ich dachte: Scheiße, ich wünschte, ich wäre nur halb so gut.«
    Tom lachte. Ihm war nie wohl in seiner Haut, wenn er ein Kompliment bekam.
    »Ich meine es ernst.«
    »Nun, danke. Wir alle haben vor dir eine gewaltige Ehrfurcht.«
    »Schreibst du noch?«
    »Ach, ich habe die Schubladen voller unveröffentlichter Romane. Wenn sie zur Hälfte fertiggeschrieben sind, landen sie im Papierkorb.«
    »Das ist schade.«
    Sie schwiegen einen Moment lang.
    »Danke, dass du das für uns tust«, sagte Tom.
    »Keine Ursache. Lass mich wissen, wenn du noch etwas brauchst.«
     
    Es war einfacher, als er erwartet hatte, Gina davon zu überzeugen, sich mit Brian McKnight zu treffen. Zu dritt flogen sie nach San Diego. Tom und Dutch hatten noch nie eine ernste Unterhaltung miteinander geführt. Nachdem Gina Tom verlassen hatte, war er Dutch immer nur dann begegnet, wenn er Danny abholte oder ihn wieder nach Hause brachte. Tom erinnerte sich an einen großen, kräftigen Mann. Ein Bär mit einem Bürstenschnitt. Dutch war alles andere als das. Er war kleiner als Tom und glich nicht im Entferntesten einem Bären. Tom musste sich eingestehen, dass er sich ein Bild gemacht hatte, das dem Klischee eines Marinesoldaten entsprach. Sie waren am Flughafen verabredet und gaben sich die Hand. Gina sah sie an und war bemüht, nicht zu besorgt zu wirken.
    Im Flugzeug saßen sie in einer Dreierreihe, Tom in der Mitte. |256| Er brauchte Zeit, darüber hinwegzukommen, wie merkwürdig es sich anfühlte, neben dem Mann zu sitzen, den er jahrelang gehasst, der ihm seine Frau gestohlen hatte und dessen Einfluss seinen Sohn dahin gebracht hatte, wo er jetzt war, auf die Anklagebank. Und jetzt saßen sie hier, aßen Brezeln und tranken Kaffee und machten Smalltalk, während Gina vorgab, in ein Buch vertieft zu sein.
    McKnight hatte im Hotel Bristol auf der Fifth Avenue ein Zimmer für ihre Verabredung gemietet und wartete schon mit Danny. Danny sah aus, als hätte er das Schlafen verlernt. Er hatte dunkle Ringe unter den Augen. Die Monate des Wartens forderten ihren Tribut. Sowohl Tom als auch Dutch begrüßte er mit vorsichtiger Zurückhaltung.
    McKnight war ein mürrischer Kerl mit Goldrandbrille und einem rotblonden Siebziger-Jahre-Schnauzer. In den nächsten zwei Stunden, in denen er nicht einmal lächelte, erfuhren sie, dass er Marinesoldat gewesen war und Ermittler beim NCIS, dem Naval Criminal Investigative Service, und jeden düsteren Winkel des Labyrinths kannte, in dem Danny gefangen war. Er hatte die Unterlagen gelesen und sagte, er habe ernste Zweifel an der Vorgehensweise der Verteidigung.
    Alles hänge von der Artikel-32-Anhörung ab, sagte er. Sie war für die erste Januarwoche angesetzt. Ihre ganzen Anstrengungen müssten der Vorbereitung darauf gelten.
    »Was ist denn das für eine Anhörung?«, fragte Tom.
    »Es ist das militärische Pendant eines Geschworenengerichts. Im Wesentlichen wird darüber entschieden, ob die Klage gerechtfertigt ist.«
    »Und wenn es so entscheidet?«
    »Dann wird der Fall an ein Militärgericht verwiesen.«
    Gina räusperte sich.
    »Was könnte im schlimmsten Fall passieren?«, fragte sie.
    McKnight hielt einen Moment inne. Er sah zu Danny.
    |257| »Nun, Ihr Sohn weiß das schon. Das Militär hat schon lange kein Todesurteil mehr über einen seiner Leute ausgesprochen. Ich muss Ihnen aber sagen, dass es von diesem Recht Gebrauch machen kann.«
     
    Auf dem Flug zurück nach Montana redeten sie nicht viel. Als sie sich am Flughafen voneinander verabschiedeten, schüttelte Dutch Tom die Hand und hielt sie einen Moment lang fest.
    »Danke, Tom, für das, was du getan hast«, sagte er. »Ich hatte unrecht damit, keinen unabhängigen Anwalt zu konsultieren. Es sieht wirklich so aus, als wollten sie den Jungen zum Sündenbock machen. Mit diesem McKnight hat er vielleicht eine Chance.«
    In der Nacht träumte Tom seit langem zum ersten Mal von Diane. Diesen Traum hatte er in dem Jahr, bevor sie in die Gaskammer ging, immer wieder gehabt. Er hatte sich dann in die Ecke seines Schlafzimmers gekauert, den Kopf umklammert und geschrien, bis das ganze Haus auf den Beinen war. Nie ging es um den Moment der Exekution. Der Schrecken war heimtückischer: Er saß mit ihr in einer verdunkelten Zelle, Schritte näherten sich

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