Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Witwe

Die Witwe

Titel: Die Witwe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carter Brown
Vom Netzwerk:
den hunderttausend Dollar zu verschwinden, die er
für den Schrein gesammelt hat. Und wenn er verschwindet, verschwindet
vielleicht auch zugleich der Mörder.«
    »Sie haben eine Begabung für
klare Formulierungen, Sheriff«, sagte ich. »Sie wollen mir wohl auf die Ihnen
eigene subtile Weise klarmachen, daß der Fall noch vor Sonntag
abend geklärt sein muß?«
    »Einmal in Ihrem Leben haben
Sie recht.«
    »Da wir jetzt Samstag vormittag haben, weiß ich nicht, weshalb ich mir
Sorgen machen soll«, sagte ich. »Ich habe ganze sechsunddreißig Stunden zur
Verfügung, um den Fall aufzuklären.«
    »Stimmt genau, Wheeler«, sagte
Lavers, und in seiner Stimme lag eine unangenehme Kälte. »Deshalb habe ich Sie
hierher zurückkommen lassen — um sicherzustellen, daß Sie sich über die Lage
völlig im klaren sind. Sie machen sich jetzt am besten sofort auf die Socken
und beginnen erneut mit der Arbeit.«
    »Warum nicht«, sagte ich
resigniert. »Und wenn ich tot umfalle. Wer wird mich schon vermissen?«
    »Warum fragen Sie das mich?«
fuhr mich der County-Sheriff an. »Woher soll ich das wissen?«
    Ich verließ sein Büro, zwängte
mich draußen in den Healey und fuhr nach Hause.
    Ich legte eine Ellingtonplatte
auf, stellte das HiFi-Gerät an, duschte mich und aß ein paar schnell in die
Pfanne geschlagene Eier. Dann trank ich ein Glas Whisky, während ich mich
umzog. Ich stellte die Nadel des HiFi wieder auf Requiem for Hank Cinq und hörte es mir an.
    Wenn Shakespeare den Duke
inspirieren konnte, so konnte er auch mich inspirieren. Wieder einmal in die
Bresche springen, wenn die Sporen in die Seiten dringen... Und so, frei nach
einem Burschen namens Bacon, verließ ich mein Appartement, um in die große Welt
hinauszutreten.
    Ich beabsichtigte, Mr. Stella
Gibb anzurufen.

VIERTES KAPITEL
     
    E s war ein Haus, wie es sich
jeder kaufen konnte, solange er zu der Schicht gehörte, in der man zwischen
einhundertfünfzig- und einhundertfünfundsiebzigtausend verdient. Vor dem Portico stand ein neuer Continental von jungfräulichem
Weiß. Unmittelbar dahinter stand ein neues Continental-Kabriolett in genau
derselben Farbe. Mein Austin Healey, der als letzter in der Reihe stand,
gesellte sich als unerwünschter Dritter dem Duett zu.
    Ich schlug das Dach des Healey
hoch für den Fall, daß er einen Minderwertigkeitskomplex bekommen sollte. Mein
Wagen hat ebensogut Gefühle wie ein Continental, wenn
auch natürlich auf einer etwas niedrigen Stufe.
    Ich wandte mich von dem Wagen
ab und sah einen Burschen, der über den Rasen auf mich zukam. Er war Mitte
Zwanzig, sein schwarzes Haar war ordentlich aus der Stirn zurückgestrichen, und
er war hübsch gebräunt. Er trug weiße Shorts und sonst nichts. Die Sonnenbräune
war gleichmäßig über alle Muskeln verteilt. Er war eine lebende
Zigarettenreklame.
    »Was wollen Sie?« fragte er mit
spröder Stimme.
    »Ich möchte Mr. Gibb sprechen«,
sagte ich. »Ich bin Lieutenant Wheeler vom Büro des Sheriffs.«
    »Ich bin Gibb.«
    »Dann möchte ich vermutlich
Ihren Vater sprechen, Mr. Cornelius Gibb.«
    »Ist das ein Witz? Ich bin
Cornelius Gibb.«
    »Dann war das ein Irrtum
meinerseits«, sagte ich.
    »Wollen Sie über den Mord
sprechen? Ich habe davon gehört.«
    »Stimmt«, sagte ich.
    »Sie kommen am besten herein.«
    Ich folgte ihm durch den Portico ins Haus. Wir traten in ein Wohnzimmer, das etwa
ebenso geräumig war wie der Versammlungsraum des County-Gebäudes. Es war im
gängigen Stil dieses Jahres ausgestattet, das heißt also, modern orientalisch.
    Ich ließ mich auf einer weißen
Ledercouch nieder und blickte auf die beiden ochsenblutfarbenen Vasen, welche
auf dem niederen geschnitzten Birkenholztischchen standen, und wandte schnell
den Kopf wieder ab. Der Mandarin an der gegenüberliegenden Wand schien seinen
dreißig Zentimeter langen Hängebart auf mich zu zücken.
    »Wollen Sie etwas zu trinken,
Lieutenant?« fragte mich Gibb.
    »Gern«, sagte ich. »Scotch auf
Eis, ein bißchen Soda.«
    Ich sah zu, wie er die Drinks zurechtmachte,
und hoffte, daß der Scotch nicht in einem umgedrehten Strohhut von zwei
orientalischen Gentlemen zubereitet worden war. Gibb brachte die Gläser und
setzte sich neben mich auf die Couch. »Was wollen Sie wissen?«
    »Kannten Sie Julia Grant?«
    »Ich habe sie hier ein paarmal
gesehen. Stella kannte sie besser als ich.«
    »Aber Sie kannten sie
jedenfalls.«
    »Das habe ich ja eben gesagt,
nicht wahr? Aber Stella kannte sie besser. Warum

Weitere Kostenlose Bücher