Die Witwe
schnell zu.
Er fing sie leicht und sicher
mit einer Hand auf.
»Na, Charlie«, sagte ich, »für
einen Burschen, der so blau ist, war das eine schnelle Reaktion.«
Er starrte mich mit
ausdruckslosem Gesicht an.
»Was geht hier vor?« fragte
Bennett verdutzt.
»Danach sollten Sie Charlie
fragen«, sagte ich. »Ich habe mich, seit ich ihn zum erstenmal gesehen habe,
über ihn gewundert. Er ist zu sehr Säufer, um wirklich ein Säufer zu sein. Wenn
er wirklich eine Flasche Whisky in der Schnelligkeit austrinkt, wie er zu tun
vorgibt, wäre er bereits tot. Also ist das Ganze lediglich Theater. Ich möchte
gern wissen warum. Heraus mit der Sprache, Charlie!«
Charlie sah uns beide eine
ganze Weile an. Dann grinste er schwach. »Ganz recht«, sagte er mit normaler
nüchterner Stimme. »Kommen Sie doch selber dahinter.«
Er ging hinaus und schloß die
Tür hinter sich. Bennett starrte mich verblüfft an. »Ich begreife das nicht.«
»Ich auch nicht«, pflichtete
ich bei. »Vielleicht wäre es interessant, dahinterzukommen. Warum fragen Sie
ihn nicht?«
»Ich werde ihn fragen«, sagte Bennett kalt. »Er muß mich seit sehr
langer Zeit für einen Trottel gehalten haben.«
»Das war vielleicht nicht allzu
schwierig«, sagte ich liebenswürdig.
Ich ging zur Tür und trat aus
dem Büro in die Nacht hinaus. Ich hatte vor, Stella Gibb einige einschlägige
Fragen zu stellen, und wenn ich dazu den falschen Augenblick wählte, so konnte
das höchstens dem anderen Mann peinlich sein, nicht mir.
Als ich noch gut sechs Meter
entfernt war, öffnete sich die Tür der Hütte, und jemand trat heraus. Einen
Augenblick lang zeichnete sich die Gestalt eines Mannes im Licht ab, das hinter
ihm aus dem Zimmer fiel — ausreichend lange für mich, um den Bart und das
Lendentuch erkennen zu können. Wer wollte nun noch behaupten, daß der Prophet
in seinem eigenen Land nichts gilt?
Dann schloß sich die Tür
erneut, und der Prophet verschwand schnell in der Nacht. Ich trat ein paar
weitere Schritte auf die Hütte zu und realisierte mit einem plötzlichen inneren
Ruck, daß ich mich geirrt hatte. Die Hütte, welche der Prophet soeben verlassen
hatte, war gar nicht die Stella Gibbs; sie war nur halb so groß.
Ich blieb einen Augenblick lang
stehen, um nachzudenken, und dann stürzte plötzlich die Nacht auf meinen Kopf
herab. Ich fiel zu Boden, und gedämpft und wie aus weiter Ferne hörte ich eine
Stimme knurren: »Damit werden Sie wohl für eine Weile die Nase voll haben, Sie
Schlaumeier!«
Wie lange ich bewußtlos war,
weiß ich nicht. Das erste, was ich spürte, war die Kühle der Nachtluft in
meinem Gesicht, aber mein Kopf ruhte auf etwas Weichem und Warmem.
Ich öffnete langsam die Augen
und wurde mir der Tatsache bewußt, daß mein Kopf an einem angemessenen Busen
ruhte, an einen wesentlich weicheren als dem der Natur. Ich hob leicht den Kopf
und sah dunkle feuchte Augen, die in die meinen blickten.
»Wie fühlen Sie sich?« fragte
sie mit leiser Stimme.
»Großartig«, murmelte ich.
»Lassen Sie mich nur noch ein paar Stunden genau hier liegen, bis mein Kopfweh
aufgehört hat.«
»Ich glaube wirklich, daß es
Ihnen besser geht«, sagte sie. »Meine Hütte ist gleich dort drüben. Glauben
Sie, daß Sie es bis dorthin schaffen?«
»Klar«, sagte ich. »Sie müssen
mich nur sehr fest halten.«
Ich stand auf, und der Horizont
neigte sich erst nach der einen und dann nach der anderen Seite. Ich legte
meinen Arm um ihre Schultern, und wir stolperten zur Hütte hinüber. Sie
knipste, kaum daß wir eingetreten waren, das Licht an, und ich ließ mich in
einen Sessel plumpsen.
Sie trug nicht mehr das weiße
Gewand, in dem ich sie zuletzt gesehen hatte, sondern einen weißen Sweater und
schwarze Shorts. Jedoch enthüllten sie in keiner Weise weniger als das Gewand,
stellte ich mit Dankbarkeit fest.
»Ihr Kopf blutet ein wenig«,
sagte Eloise. »Ich werde ihn abwaschen. Was ist Ihnen zugestoßen?«
»Jemand hat mich
niedergeschlagen«, sagte ich. Es schien mir eine logische Antwort zu sein.
Sie ging in die Küche und kam
eine Minute später mit heißem Wasser, Handtüchern und einem
Desinfizierungsmittel wieder. Ich zuckte zusammen, als sie die Platzwunde
auswusch, aber eingedenk meiner Männlichkeit unterdrückte ich meine lauten
Schreie.
Dann goß sie mir ein Glas
Whisky ein und gab mir eine Zigarette. Ich begann mich besser zu fühlen,
abgesehen von schneidendem Kopfweh.
»Die Wunde ist nicht allzu
tief«, sagte sie. »Ich
Weitere Kostenlose Bücher