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Die Witwen von Paradise Bay - Roman

Die Witwen von Paradise Bay - Roman

Titel: Die Witwen von Paradise Bay - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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Affäre?« Der Schmerz und die Traurigkeit in meiner Stimme sind beinahe greifbar. Diese Frage habe ich nie gestellt. Ich habe auch nie gefragt, mit wem Howie geschlafen hat. Ich habe nach allen möglichen quälenden Details gefragt, die ich nicht hören wollte, aber bis jetzt noch nie nach dem Warum.
    Howie läuft rot an, die Frage ist ihm sichtlich peinlich, aber er muss gewusst haben, dass ich sie irgendwann stellen würde. Er setzt sich wieder und zeichnet den Umriss einer der Rosen auf seiner Tasse nach. Es sieht albern aus, wie Howie, für mich immer der Inbegriff von Männlichkeit, dort sitzt und Tee aus einer zarten, englischen Tasse trinkt, mit rosaroten Rosen und Goldrand. Er mag Tee nicht einmal. Er hat sich erst jetzt an den Geschmack gewöhnt, seit meine Mutter darauf besteht, dass er welchen mit ihr trinkt.
    »Weil ich einen Moment der Schwäche hatte«, sagt er, und ich muss mich sehr beherrschen, nicht zu erwidern, dass das Schwachsinn ist. Einen Moment der Schwäche hat man, wenn man sich einen Eisbecher mit heißer Karamellsauce bestellt oder man ein Paar Schuhe, das man niemals tragen wird, zum regulären Preis kauft.
    »Ich hatte das Gefühl, du liebst mich nicht mehr«, fügt er hinzu. »Ich hatte immer Angst, das würde eines Tages passieren. Du bist viel jünger. Du bist schön und lebensfroh und … ich weiß, es klingt kitschig, aber du bist unwiderstehlich. Ich habe immer darauf gewartet, dass du mich eines Tages mit anderen Augen anschaust, dass ich eines Tages nicht mehr das Glück deines Lebens sein würde. Und zuletzt hat genau das in deinen Augen gestanden, jedes Mal, wenn du mich angeschaut hast.«
    Wenn er glaubt, dass ich diese Ansprache rührend und bestechend finde, hat er sich getäuscht. Er hat mir zu viel angetan, um alles mit einer solchen Antwort vom Tisch zu wischen. Typisch Mann, erst betrügen sie und dann machen sie die Ehefrau dafür verantwortlich. »Also soll es meine Schuld sein, dass du eine Affäre hattest?« Ich bin wütend und stehe kurz davor, die Fassung zu verlieren, aber das ist mir egal.
    »Gott, Prissy, du konntest ja kaum noch meine Nähe ertragen.« Nun klingt er frustriert und trotzig.
    »Und, hat es denn geholfen, eine andere zu vögeln?« Das war nicht als ernsthafte Frage gemeint, doch ich erhalte eine Antwort.
    »Anfangs ja«, gibt er zu, und zum ersten Mal gebe ich keine Widerworte, obwohl seine Aussage ungeheuer schmerzhaft ist. »Dann habe ich mich nur noch entsetzlich gefühlt. Ich war nicht glücklich, und du warst es auch nicht, also habe ich getan, was ich glaubte, tun zu müssen. Für uns beide. Ich wusste, dass es anfangs schwer sein würde, aber ich hatte gedacht, mit der Zeit würde es leichter. Das wurde es nicht.« Er seufzt, traurig und deprimiert.
    »Hör zu, ich gebe dir ja keine Schuld.« Howie stützt sich auf sein stoppeliges Kinn. »Ich habe Mist gebaut. Ich wünschte, es wäre anders, aber es ist nun einmal geschehen.«
    Das reicht nicht. Er hat sich nicht einmal entschuldigt, und vermutlich hätte er niemals ein Wort gesagt, wenn ich nicht mit dem Thema angefangen hätte. Ich will einen weinenden, unrasierten Howie, der auf die Knie geht und mich anfleht, zu ihm zurückzukommen, und das, was ich jetzt vor mir sehe, entspricht meiner Vorstellung nicht. Howie ist wieder ganz ruhig, völlig gefasst. Er lächelt verlegen, als ob er vergessen hätte, den Müll rauszubringen, aber nicht, als hätte er mir das Herz gebrochen.
    »Was denkst du? Zum Thema nach Hause kommen?« Howie blickt mich erwartungsvoll an.
    Ich muss an meine Mutter denken. Dieses Haus und dieser Ort bedeuten ihr so viel. Sie hat die Insel niemals verlassen, nicht einmal, um uns zu besuchen. Wir sind immer zu ihr gefahren, Jahr um Jahr. Meine Mutter jetzt von hier fortzubringen, damit sie inmitten von namenlosen, gesichtslosen Pflegern stirbt, kommt nicht in Frage. Howie ist sicherlich durchaus sensibel, ihm fehlt bloß das Verständnis.
    »Ich denke«, sage ich, »dass ich zu Hause bin.«
    Heiligabend wird furchtbar. Meine Mutter hat den ganzen Tag lang von der Erscheinung der Jungfrau gesprochen und behauptet, dass dies ihr letztes Weihnachten sei. Sie erinnert mich an Quentin, der auch ständig sagt, dass er nie wieder zur Schule gehen wird. Nach dem ersten Schock über die sogenannte Vision wirkt sie regelrecht erleichtert angesichts der Perspektive, bald zu sterben. Sie schläft wie ein Säugling erschöpft in ihrem Rollstuhl ein, nur ein kleines Rinnsal Speichel

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