Die Witwen von Paradise Bay - Roman
schneller, neue Hoffnung keimt auf.
»Wir haben das Geld«, sagt Roger Parsons lächelnd. »Das Witwen-Hilfe-Programm wird Gestalt annehmen.« Eine zurückhaltende Reaktion wäre jetzt sicher angebracht. Ich sollte meine Dankbarkeit aufrichtig und respektvoll äußern, doch in diesem Moment kann ich meine Gefühle ebenso wenig unterdrücken wie das Atmen. Ich klatsche in die Hände und hüpfe vor Freude auf und ab, wie ein Kind vor dem Weihnachtsbaum. Dann lege ich die Hände zusammen und halte sie an meine Lippen, als würde ich ein Dankesgebet sprechen.
»Ich danke Ihnen sehr«, flüstere ich und umarme Roger Parsons und Dr. Dunn und sogar den Fremden. Wer immer er sein mag, er hat bestimmt dazu beigetragen, dass wir die Mittel für WIHP bekommen. »Und was machen wir jetzt?«, frage ich und bereue es sogleich. Da ich mich an die Regierung gewandt und um Unterstützung gebeten habe, sollte ich auch genaue Vorstellungen von unserem Projekt haben. Wäre Georgia doch bei mir! Sie wüsste sicher etwas Wichtiges und Bedeutsames zu sagen.
Glücklicherweise findet niemand meine Frage unangebracht.
»Es ist nicht viel Geld, aber es reicht für eine Vollzeitstelle, für eine Website, für erste Maßnahmen in Sachen Marketing und Öffentlichkeitsarbeit«, sagt Roger Parsons. »Ich kann nicht abschätzen, wie viele in Ihrer Lage sind, denn die Statistiken erwiesen sich als kaum belastbar, doch wenn es Ihnen gelungen ist, allein elf Witwen über das Radio zu finden, muss es viele geben. Leider ist es schwer, sie zu finden, also müssen sie uns finden.«
»Nur wie?« Ich sehe schon jede Menge junge Frauen in Trauerkleidung an sämtliche Türen klopfen auf der Suche nach Georgia und mir.
»Durch das Internet«, erklärt Dr. Dunn. »Social Marketing hat sich bei solchen Projekten als besonders wirksam erwiesen.« Sie geht offenbar davon aus, dass ich jedes Wort verstehe, und darum nicke ich, obwohl ich keine Ahnung habe, was sie meint.
»Das Geld in eine Website zu investieren, die Auskunft über die Organisation und ihre Ressourcen sowie Links zu Trauerberatern und finanziellen Hilfen bietet, erscheint mir am sinnvollsten, zumindest anfangs. Damit sind die Informationen allgemein zugänglich. Auf diesem Weg können Treffen angekündigt werden und vor allem sich junge Witwen, die sich sonst niemals kennengelernt hätten, untereinander vernetzen.«
Das ist das Stichwort für den jungen Mann, der nun den Grund seiner Anwesenheit offenbart. Er zeigt mir verschiedene Webdesigns, verschiedenfarbige Hintergründe mit Texten, in denen steht, was WIHP ist und wann es gegründet wurde. Ich soll mich für einen Vorschlag entscheiden, aber ich verstehe doch nichts von Grafikdesign. Ich verstehe überhaupt nichts von Computern, denn Ches hat sich immer geweigert, einen anzuschaffen. Er hatte wohl Angst, dass er ihn im Notfall nicht reparieren könnte. Er mochte Maschinen, die auf althergebrachte Weise gebaut waren, mit Schrauben und Motoren und nicht mit Chips.
Roger Parsons schlägt vor, das Projekt im Januar offiziell zu starten. Er will zu einer Pressekonferenz laden, auf der die Website vorgestellt werden soll. Frauengruppen, so sagt er, Verbände für psychische Gesundheit und soziale Organisationen werden die Initiative loben und die staatliche Unterstützung unserer Gruppe bejubeln. Nicht einmal die Opposition, so Parsons, könne etwas Negatives über WIHP sagen, schlichtweg niemand. Da aber irrt er sich. Ches hätte allerlei furchtbare Dinge zu sagen gewusst. Wenn er das in der Zeitung gelesen hätte, hätte er die Augen verdreht und darüber geschimpft, dass die Regierung so viel Geld verschwendet, noch dazu an eine Gruppe von Klageweibern, die bloß miteinander tratschen und jammern wollen.
Ich weiß auch, wie ich darauf reagiert hätte. Ich hätte Tee getrunken und erwidert, dass ich sowieso die Letzte wäre, die eine solche Selbsthilfegruppe bräuchte, falls er mir jemals den Gefallen täte, zu sterben. Ich bin sprachlos. Nicht so sehr, weil es mir tatsächlich gelungen ist, eine Selbsthilfegruppe zu gründen, und das auch noch mit öffentlichen Mitteln. Sondern weil ich ihre Dienste offenbar dringend benötige.
Kapitel 36
Prissy
In der Nacht zu Heiligabend weckt mich ein Rumoren, das schon den Namen Tumult verdient. Ich renne die Treppe hinunter. Meine Mutter und Howie führen eine hitzige Diskussion. Mom ist aufgebracht und hat geweint.
»Was ist los?«, frage ich außer Atem, auch angesichts meiner erregten
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