Die Witwen von Paradise Bay - Roman
Fertiggericht.«
»Stimmt mit Fertiggerichten irgendwas nicht? Ich hab dir und Prissy oft Fertiggerichte gemacht und hab nie Klagen gehört.«
Clara schüchtert mich heute noch genauso ein wie damals als Kind. »Ich hab nicht gesagt, dass mit Fertiggerichten was nicht stimmt«, stottere ich. »Ich dachte nur, Prissy hätte gern was Feineres.«
»Prissy ist noch immer die Alte, Lottie«, sagt Clara, drückt die Zigarette auf der Veranda aus und nimmt mir die schwere gläserne Auflaufform ab. »Aber sie will sicher deine feinen Makkaroni kosten.«
»Kann ich sie sehen?«
Clara schüttelt zögernd den Kopf. »Heute besser nicht. Prissy ist sehr durcheinander und Besuchern noch nicht gewachsen. Und sie muss erst aufstehen.«
Ich schlucke schwer. Ich war Prissys beste Freundin. Ich sollte mich schützend vor ihre Tür stellen. »Natürlich«, flüstere ich. »Richte ihr bitte mein Beileid aus.« Ich wende mich ab und gehe den Hügel hinunter. Ich trage wieder schwer, auch ohne die Glasform.
Zu Hause überfällt mich eine ungewohnt träge Stimmung. Ich schlüpfe in Ches’ karierten Bademantel – er zieht ihn nie an, und deshalb riecht er auch nicht nach ihm – und koche mir eine Kanne Tee. Es ist erst halb zwei, aber mir kommt es vor, als wäre ich seit Tagen auf den Beinen. Ich mache den Fernseher an. Bei Der Preis ist heiß bietet ein Kandidat auf einen Satz Golfschläger. Ich versuche mitzuspielen, aber ich habe keine Chance, denn schon Dosensuppe ist in Kalifornien viel günstiger als hier bei Hayward’s. Ich frage mich, was Ches zu all dem sagen würde. Wahrscheinlich hätte er bloß Augen für die Assistentinnen und würde sagen, dass die eine einen tollen Arsch und die andere einen tollen Vorbau hat.
Ich irre mich beim Preis für einen Kühlschrank und muss dabei an all die häuslichen Pflichten denken, die auf mich warten. Ich schalte den Fernseher aus, gehe in die Küche und stürze mich auf den Abwasch. Boden und Arbeitsfläche sind mit Käseraspeln übersät. Ich will das Rezept gerade zerknüllen, denn ich werde wohl nicht noch einmal Makkaroni-Auflauf mit frischem Käse machen, als mir der Artikel auf der Rückseite ins Auge springt.
Gönnen Sie sich eine Auszeit!, steht in großen Lettern über dem Bild einer Frau, die von sanftem Kerzenschimmer umgeben in der Badewanne ruht. Ihr Intimbereich wird von Schaum bedeckt, und auf ihrem Gesicht liegt ein Waschlappen. Ich verdrehe die Augen. So ein extravagantes, fast schon sündiges Verhalten käme für mich nie in Frage. Außerdem ist der Wasserhahn in meinem Badezimmer rostig, und der Fugenkitt schimmelt, trotz hartnäckigen Scheuerns.
Ich muss an meine Schwester denken. Sie lebt mit unseren Eltern und ihrem Mann in Calgary. Ich habe sie nie besucht, aber meine Mutter schwärmt mir bei fast jeder Gelegenheit von ihrem Jacuzzi vor. Meine Schwester hat überhaupt alles richtig und auch noch in der richtigen Reihenfolge gemacht: College, Beruf, Heirat, Haus und Kinder. Ich habe alles falsch und auch noch in der falschen Reihenfolge gemacht, und daher kann ich es meinen Eltern kaum verübeln, dass sie zu meiner Schwester nach Calgary gezogen sind, anstatt hier bei mir in Paradise Bay zu bleiben. Ich werfe ihnen das nicht vor, aber ich vermisse sie, oder vielmehr ihr Idealbild, besonders wenn ich sehe, wie andere Mütter und Töchter gemeinsam durch die Stadt bummeln, einkaufen oder bei Lawlor’s Teepause machen. Mir ist natürlich bewusst, dass wir nichts dergleichen unternommen hätten, auch wenn meine Eltern in Paradise Bay geblieben wären. Sie behaupten zwar das Gegenteil, aber sie haben mir niemals verziehen, dass ich schwanger geworden bin und Ches geheiratet habe. Auf jedem Hallo segelt ein Vorwurf mit, wie eine Feder, die einem Kissen entweicht.
Gegen vier Uhr nachmittags klopft die Polizei an meine Tür. Die Mienen der Beamten sind düster, und ich weiß, dass sie eine schlechte Nachricht bringen, die mein Leben unwiederbringlich verändern wird. Meine Ohren klingeln, mein Mund ist trocken, ich muss mich an der Tür festhalten, damit ich nicht umkippe. Die Tränen fließen, noch bevor die Polizei ein Wort gesagt hat. Als es heißt, Ches sei tot, weine ich vor Erleichterung, dass es nicht Marianne ist.
Kapitel 7
Georgia
Ich hasse Beerdigungen, doch damit stehe ich in Paradise Bay alleine. Beerdigungen gelten als wichtige gesellschaftliche Ereignisse und als willkommene Anlässe für Familientreffen. Verwandte, die man seit Jahren nicht
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