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Die Witwen von Paradise Bay - Roman

Die Witwen von Paradise Bay - Roman

Titel: Die Witwen von Paradise Bay - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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vom Regen in die Traufe gekommen bin. »Liegt an Ihrer Route irgendein Hotel?«
    Er lacht lauthals, dabei habe ich wirklich nichts Komisches gesagt. »Nein, meine Liebe, hier gibt es nirgendwo Hotels, aber Sie können bei mir übernachten.«
    Ich rutsche Richtung Tür und werfe ihm einen Blick zu, der einen schwarzen Gürtel in Karate oder einen Polizeichef als Vater signalisieren soll. Ich mustere meinen Fahrer, damit ich ihn der Polizei beschreiben kann, falls er mich anfällt, aber er trägt Schneeanzug und Mütze, und so kann ich weder seinen Körperbau noch seine Haarfarbe erkennen.
    »Ich beiße nicht«, sagt er belustigt. »Ich werde nicht einmal da sein. Ein Sturm zu später Stunde bedeutet Überstunden, und ich hab die Nachtschicht. Ich setze Sie bei mir ab und schaufle Ihr Auto frei, dann lasse ich es Ihnen morgen früh bringen, und Sie können wieder los.« Er schaut zu mir herüber, ich sitze immer noch dicht an die Tür gepresst, und wirft mir ein Lächeln zu, das bis zu den Augen reicht, die weder grün noch blau, sondern eine Mischung aus beidem sind. »Entspannen Sie sich, Missus. Ich tu Ihnen nix.«
    Ich nicke widerstrebend, mir bleibt ohnehin keine Wahl. »Ich heiße Georgia«, sage ich, denn es ist seltsam, Missus genannt zu werden.
    Er nickt und lächelt mich an. »Ein hübscher Name, Missus. Ich heiße Joseph.«
    Die restliche Fahrt verläuft in einem angenehmen Schweigen. Sein Haus ist klein, aber gemütlich, wie eine Skihütte, und ich fühle mich dort sofort heimisch. Ich lausche dem Knistern des Feuers, das er rasch gemacht hat, bevor er wieder hinausgegangen ist, um dem Sturm zu trotzen. Ich lege mir eine Decke um, ihr entströmen Fichtengeruch und ein Hauch Petroleum. Ich nehme mir fest vor, bis zum Morgen wachzubleiben, aber nach wenigen Minuten schon sinke ich in den Schlaf.
    Geweckt werde ich vom Geruch frisch gebrühten Kaffees und brutzelnden Specks. Mir scheinen Sonnenstrahlen ins Gesicht, also ist der Sturm wohl vorüber. Draußen vor dem Fenster wartet das reinste Winterwunderland, frischer Schnee bedeckt den Boden, Äste biegen sich unter seinem Gewicht. Mein Auto steht in der Auffahrt, winzig klein wirkt es neben dem hohen Schneetunnel, aber das ist längst nicht der beeindruckendste Anblick, der mich an diesem Morgen begrüßt. Joseph hackt mit leichter Hand Feuerholz, er schwingt die Axt über sein goldenes Haupt, die Muskeln zeichnen sich unter seinem dünnen Baumwollhemd ab, und sein heißer Atem steht wie eine sanfte Rauchwolke in der kalten Luft. Ich bin hingerissen. Mir ist, als wäre ich in einem Märchen aufgewacht. Ich bin Aschenputtel, Dornröschen und Schneewittchen zugleich. Mein Herz schlägt schneller und pumpt das Blut mit Leidenschaft durch meinen Körper. Diesen Mann könnte ich ein Leben lang anschauen.
    Joseph und ich reden und essen und lachen und essen, bis der Tag davongleitet und sich die Sonne erneut senkt. Ich könnte fahren, aber ich will nicht fort. Wieder schlafe ich friedlich unter den weichen Decken seines Gästezimmers.
    Am nächsten Morgen begleitet er mich nach Heart’s Content, und beim Anblick des wundervollen Leuchtturms und der schroffen Küste halte ich ehrfürchtig den Atem an. Seeluft strömt in meine Lungen, ich fühle mich lebendiger als je zuvor. Ich mache über fünfzig Fotos von der Gegend, doch auf meinem Lieblingsbild ist Josephs Schatten zu sehen, der sich lang und schlank vor dem aufragenden Leuchtturm abzeichnet. Joseph ist der schönste Mann, den ich je gesehen habe, und ich warte den ganzen Tag, während wir lachen und reden, auf das böse Erwachen, darauf, dass er ruppig oder gewalttätig wird oder seine Frau erwähnt, denn das alles ist zu schön, um wahr zu sein. Als er mich schließlich unter dem Sternenhimmel küsst, strömt so viel Wärme durch meinen Körper, dass ich kaum glauben mag, dass es draußen friert.
    »Bleib bei mir«, flüstert er.
    Ich nicke, in mir tobt ein Sturm der Gefühle, ich bin fast unfähig zu sprechen. Aber, so denke ich, wir können ja später noch reden, uns bleibt ja das ganze Leben. Doch uns blieben fünf Jahre.
    Das Läuten der Kirchenglocken, das die Nachzügler mahnt, holt mich in die Wirklichkeit zurück. Ich muss mich zwingen, aus dem Auto auszusteigen. Meine Beine sind taub, mein Atem geht stoßweise und verrät, wie nervös ich bin, obwohl ich es zu überspielen versuche. Zwei Trauergäste gehen um das Baugerüst herum, das vor langer Zeit aufgestellt wurde, um den blättrigen Putz zu

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