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Die Witwen von Paradise Bay - Roman

Die Witwen von Paradise Bay - Roman

Titel: Die Witwen von Paradise Bay - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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Mitte, musste ich unwillkürlich an ein rohes Ei denken. Natürlich habe ich mich übergeben, was Charlie und seine Freunde zum Brüllen komisch fanden und noch mehr anspornte, bis sich mir der Magen erneut umdrehte.
    Als meiner Mutter der Grießbrei übers Kinn läuft, meldet sich das taube Gefühl im Rachen. Ich bin dagegen machtlos. Ich schaffe es noch rechtzeitig in die Waschräume der Klinik, aber vorher muss ich schon entsetzlich würgen, in Gegenwart meiner Mutter.
    Ich blicke kritisch auf mein Spiegelbild. Ich erkenne mich kaum wieder. Im Neonlicht sehen meine Wangen fleckig aus, dunkle Ränder verunstalten meine Augen, die von mir bisher unbekannten Fältchen eingerahmt werden. Meine Lippen sind trocken und eingerissen, und ich wirke erschreckend dünn.
    Im Waschraum riecht es nach Erbrochenem. Wie konnte ich so unsensibel sein! Ich hätte beim ersten Anzeichen das Zimmer verlassen, ein Unwohlsein vortäuschen, aber nicht meiner Mutter zeigen sollen, dass ich schon beim Füttern würgen muss. Ich bin so betroffen, dass ich eine Weile im Bad bleiben muss, heule und mit mir selbst schimpfe, ich sei eine furchtbare Tochter, furchtbare Ehefrau und furchtbare Mutter. Ich weine leise in meine Hände, bis sie nass von Tränen, Spucke und Rotze sind.
    Als ich endlich wieder ins Zimmer komme, sage ich meiner Mutter, ich hätte mir den Magen verdorben, aber wie soll sie mir glauben, wo ich seit Tagen nichts Richtiges gegessen habe?
    Am folgenden Tag beginnt meine Mutter, mit mir zu sprechen. Ich sollte über diesen Durchbruch vor Begeisterung jubeln, doch ich kann nicht. Was nicht daran liegt, wie sie spricht, sondern, was. Sie herrscht mich an. Nicht, weil ich beim Füttern kotzen musste, sondern weil ich nach ihrem Zusammenbruch den Notarzt gerufen habe.
    »Warum hast du mich nicht sterben lassen?« Was soll ich darauf antworten?
    »Weil ich nicht wollte, dass du stirbst.«
    »Mir wäre lieber, tot zu sein, als so zu leben.«
    Wenn ich jetzt erwidere, dass ich das ja nicht ahnen konnte, klingt es womöglich noch zustimmend. Mir kommt ein Bild aus Kindertagen in den Sinn. Meine Mutter, mit zwei großen Eimern voller Kapelane in den Händen, dabei trägt sie mich auf dem Rücken, den ganzen Weg vom Strand zum Haus. Und heute muss sie mit ihrem Physiotherapeuten üben, sich im Bett aufzusetzen. Vielleicht hat sie ja recht.
    »Es geht doch jeden Tag ein Stück bergauf«, sage ich. Ich verkneife mir den Zusatz, dass sie bald wieder ganz die Alte sein wird, denn die Ärzte haben mir gegenüber eine vollständige Genesung ausgeschlossen.
    »Ich will niemandem zur Last fallen. Fahr nach Hause und gib mich in ein Pflegeheim.«
    »Du fällst mir nicht zur Last, Mom«, beharre ich, und das meine ich auch so, obwohl die Antwort furchtbar abgedroschen klingt. Ich würde ihr gerne versichern, dass sich ihre Lage bessern wird, aber Mom ist von diesen wenigen undeutlichen Sätzen schon zu erschöpft.
    »Wo ist dein Mann?« Wenn ich nur wüsste, was in ihrem Kopf vorgeht. Sie klingt immer noch wie eine Betrunkene, und vermutlich wird sie das Lallen nicht mehr los.
    »Er kommt bald«, sage ich ruhig, doch Mom blickt mich so verwirrt an, als hätte sie ihre Frage schon vergessen. Lottie und Georgia warten an der Tür. Sie kommen einmal wöchentlich nach St. John’s, in erster Linie meinetwegen, aber sie betüddeln auch meine Mutter, soweit sie es zulässt. Georgia hat wieder eine Tüte Karamell mitgebracht, obwohl Mom es nicht essen darf und wir es den Schwestern mit nach Hause geben. Lottie hat immer Zeitungen dabei, die bei Lawlor’s liegenbleiben und aus denen ich meiner Mutter abends vorlese, auch wenn sie meiner Meinung nach gar nicht zuhört.
    Lottie gibt meiner Mutter einen Kuss auf die Wange. »Wie geht’s dir, altes Haus?«, fragt sie, und Georgia lächelt und drückt meiner Mutter die kalte Hand. Wir reden über dies und das, bis der Physiotherapeut kommt.
    Lottie und Georgia überreden mich, das Krankenhaus eine Weile zu verlassen, und so landen wir bei Tim Hortons, zu Kaffee und Donuts. Ich habe ein schlechtes Gewissen, weil meine Mutter im Krankenbett bleiben und sich von Pasten, Brei und ungesalzenem Kartoffelbrei ernähren muss.
    »Wie geht’s deiner Mutter inzwischen?«, fragt Georgia. Diese Frage stellt sie jedes Mal, wenn wir uns sehen.
    »Sie redet wieder«, sage ich und blicke in zwei freudig erregte Mienen.
    »Das ist großartig«, sagt Lottie, aber dem muss ich widersprechen.
    »Sie redet nur vom Sterben. Sie

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