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Die Witwen von Paradise Bay - Roman

Die Witwen von Paradise Bay - Roman

Titel: Die Witwen von Paradise Bay - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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will, dass ich sie in ein Pflegeheim stecke, und ist wütend, weil ich damals den Notarzt gerufen habe. Und manchmal redet sie nur Unsinn. Aber das ist nicht das Schlimmste.« Georgia und Lottie wechseln einen besorgten Blick. »Sie fragt ständig nach Howie.«
    »Und wonach genau?«, fragen Lottie und Georgia im Chor.
    »Wann er sie besuchen kommt. Wann er mir helfen kommt.« Beide sehen mich verwirrt an. »Ich glaube, sie erinnert sich nicht mehr«, erkläre ich.
    »Sie erinnert sich nicht, dass sie ihn getötet hat?«, fragt Lottie ungläubig. »Eine Todesanzeige aufgesetzt? Eine Gedenkfeier organisiert hat? An gar nichts?«
    Ich schüttle den Kopf. »Nicht einmal, dass er mich verlassen hat.«
    Georgia legt ihre warme Hand auf meine. »Der Verstand spielt uns Streiche«, sagt sie. »Deine Mutter möchte glauben, dass es dir gut geht, und daher hat sie alles Unangenehme verdrängt. Ich habe lange Zeit für Joseph gekocht und mit dem Essen auf ihn gewartet, bis es dunkel wurde. Dann habe ich seinen Teller mit Folie bedeckt, weil ich allen Ernstes vergessen hatte, dass er tot ist. Deine Mutter sorgt sich um dich.«
    »Ein Pflegeheim wäre vielleicht nicht mal das Übelste, Prissy«, wirft Lottie ein. Ich schaue sie so missbilligend an, als hätte sie etwas Anstößiges gesagt. »Nicht alle Heime sind furchtbar«, beharrt sie. »Prissy, irgendwann musst du das tun, erst recht, falls ihr Gedächtnis ganz aussetzt. Seine geistigen Fähigkeiten zu verlieren, ist gar nicht so schrecklich, besonders, wenn man körperlich abbaut. Ich meine, es ist doch besser, in der eigenen Scheiße zu liegen und zu denken, man sei siebzehn und bei einem Tanzabend in der Legion, als in der eigenen Scheiße zu liegen und sich dessen bewusst zu sein.«
    Lottie hat die Welt immer mit anderen Augen gesehen, und das liebe ich an ihr, aber in diesem Fall schließe ich mich Georgias Urteil an. Mom verdrängt einfach, was ihr unangenehm ist, doch das macht mir Angst. Wenn sie alles Unangenehme verdrängt, was bleibt dann noch?

Kapitel 27
    Lottie
    Fred Bishop erweist sich als einer meiner besten Kunden, und ein vernünftiges Trinkgeld gibt er auch. Jetzt, in der kalten Jahreszeit, wo die Marktsaison zu Ende ist, kommt er regelmäßig zu Lawlor’s. Er setzt sich jeden Tag an die Theke und bestellt immer das Gleiche: zwei Spiegeleier mit flüssigem Dotter, Würstchen, zwei Scheiben Speck, besonders knusprig, zwei Scheiben Toast mit Butter und anderthalb Tassen Tee mit Kondensmilch und zwei Tütchen Zucker. Mittwochs kommt er zum Abendessen und nimmt entweder Fish and Chips mit Sauce oder das warme Truthahnsandwich.
    Georgia hegt ihm gegenüber zwar eine große Feindseligkeit, aber auf mich wirkt er so harmlos, dass ich mich frage, ob Georgia ihre negativen Gefühle nicht in die falsche Richtung lenkt. Georgia verteufelt Fred wirklich, hält ihn für den Leibhaftigen. Ich kann so gar nichts Düsteres an ihm entdecken, nichts, was mir ein ungutes oder unbehagliches Gefühl vermitteln würde. Er ist durchschnittlich groß und schwer. Er ist fast kahl, was er im Sommer unter einer Baseballkappe und im Winter unter einer Wollmütze verbirgt. Das scheint seine einzige Eitelkeit zu sein. Meist trägt er karierte Flanellhemden über weißen T-Shirts und abgewetzten Jeans. Er begrüßt mich freundlich mit »Hey Lottie« und hält sich ansonsten zurück. Ironischerweise frage ich mich genau aus diesen Gründen, weshalb Georgia mit ihm geschlafen hat.
    Ich weiß noch, wie er damals ins Lokal gekommen war, gehetzt und nervös, und mich nach Georgia fragte. Hatte ich sie in letzter Zeit gesehen? Warum nicht? Hatte ich seit Dienstag mit ihr gesprochen? Könnte ich bitte nach ihr sehen? Nein, es gebe keinen besonderen Grund, beharrte er.
    »Willst du das Menü von heute hören?«, frage ich Fred, obwohl ich weiß, was er bestellen wird. Er nickt, weil er zu höflich ist, Nein zu sagen. Ich könnte ihm alles Mögliche servieren, er würde es klaglos essen. Ich könnte ihm auch zu wenig Wechselgeld herausgeben und bekäme trotzdem ein Trinkgeld, als hätte ich ihn wie einen König bedient.
    »Wie war die Marktsaison?« Er sieht mich überrascht an. Abgesehen von unserem Gespräch über Georgia frage ich sonst immer nur, was er essen möchte und ob er etwas Kleineres als einen Zwanziger hat. Aber Fred hat, so zurückhaltend er auch scheinen mag, aus einem kleinen Regionalmarkt eine Wohltat für die ganze Gemeinde gemacht. Er hat all seine Energie in das Projekt

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