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Die Wölfe von Yellowstone. Die ersten zehn Jahre (German Edition)

Die Wölfe von Yellowstone. Die ersten zehn Jahre (German Edition)

Titel: Die Wölfe von Yellowstone. Die ersten zehn Jahre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elli H. Radinger
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Menschen gekommen waren. Auch wenn nur wenige Mitarbeiter mit ihnen Kontakt hatten und sich sofort wieder zurückzogen, brauchten die Wölfe nach jedem Besuch etwa eine Stunde, bis sie sich halbwegs beruhigt hatten. Wölfe haben Angst vor Menschen. Ein Wolf, der mit Leichtigkeit einem 350 Kilogramm schweren Hirsch die Kehle durchbeißt, wird beim Anblick eines Menschen panikartig die Flucht ergreifen, und wenn er in die Enge getrieben wird, winselnd am Boden kauern.
    Die zweite Möglichkeit, die sie davon abhielt, durch das Tor zu gehen, wurde unter den Biologen heftig diskutiert. Vermutlich sahen die Wölfe ein offenes Tor nicht als etwas, durch das sie hindurchgehen konnten, ebenso wenig wie sie wohl das Konzept des Zaunes um ihr Gehege verstanden. So wie sie am Anfang in den Zaun gerannt waren und versucht hatten, ihn mit den Zähnen zu zerbeißen oder sich unter ihm durchzugraben, weil sie nicht verstanden, was sie in ihrem Gefängnis hielt, so wenig verstanden sie nun, dass sie frei waren.
    Niemand konnte auch nur ahnen, wie viel Stress die Wölfe empfanden. Es hatte nie zuvor eine so komplexe und auch für die Tiere äußerst schwierige Umsiedlung gegeben. Man wusste nicht, welche Auswirkungen die vielen Veränderungen auf sie hatten. Vielleicht hatten sie sich selbst seelisch »aufgegeben«?
    Auch am nächsten Tag verließ keiner der Wölfe sein Gehege. Dave Mech riet den Biologen, ein großes Loch in den Zaun zu schneiden, und zwar auf der dem Eingang gegenüberliegenden Seite, der »Komfort-Zone« der Wölfe. Als Doug Smith, Mike Phillips und Mark Johnson um 16 Uhr in dichtem Schneegestöber am Rose-Creek-Gehege ankamen, um den Zaun aufzuschneiden und einen frischen Rehkadaver zu hinterlassen, ertönte hinter ihnen ein langes, tiefes Heulen.
    Nur wenige Hundert Meter entfernt stand auf dem Kamm eines kleinen Hügels im wirbelnden Schnee Leitwolf Nummer Zehn und schaute die Männer direkt an, während er weiter heulte. Das war eindeutig Territorialverhalten: »Das ist mein Berg!«
    Die Männer ließen den Rehkadaver fallen und zogen sich überglücklich zurück. Ganze 25 Minuten lang folgte ihnen der Wolf den Berg hinunter, bevor er sich umdrehte und wieder zu seiner Gefährtin lief. Dass ein wilder Wolf freiwillig in ein Gehege zurückkehrte, war sensationell. Aber Nummer Zehn war auch kein gewöhnlicher Wolf. Der stolzeste aller Wölfe war frei!
    Nummer Neun war indessen noch immer nicht bereit, ihr Gefängnis zu verlassen. Auch der für sie außerhalb abgelegte Hirschkadaver reizte sie nicht. Zwar schien sie nachts davon zu fressen, rannte aber danach sofort wieder ins sichere Heim. Anhand der Spuren konnten die Forscher sehen, dass Nummer Zehn regelmäßig zurück ins Gehege lief, vermutlich um Nummer Neun herauszulocken. Ihre Tochter machte den Anfang. Beide Wölfe warteten auf die immer noch unschlüssige Nummer Neun, bis sie schließlich bereit war und mit ihnen gemeinsam in die Berge verschwand.
    Was keiner zu diesen Zeitpunkt wusste, war, dass dieses Wolfspaar längst über das Stadium bloßer Gehegegefährten hinaus war. Trotz ihrer Gefangenschaft hatten sich die beiden gepaart und die Wölfin war bereits trächtig. In nur vier Wochen sollte sie in einer eilig gegrabenen Höhle unter einem Baum hoch über dem Ort Red Lodge, Montana, acht Welpen zur Welt bringen – allein, und nach ihrem Gefährten Ausschau haltend, dem imposanten Leitwolf, nach dem Tier, das trotz seines Mutes und seiner Tapferkeit – vielleicht auch gerade deswegen – der erste Wolf sein sollte, der in Yellowstone starb.
    Auch das Crystal-Creek-Rudel wollte sein Gehege immer noch nicht verlassen, weder durch das Haupttor noch durch das Loch, das die Ranger in den Zaun schnitten. Gelegentlich führten Spuren nur wenige Meter aus dem Gehege heraus, dann aber sofort wieder zurück. Die Wölfe hatten jetzt schon eine Woche nichts mehr gefressen. Außerhalb des Zauns wartete ein Hirschkadaver auf sie. Amerikas »Wolf-Papst« Dave Mech war zur Beratung und Unterstützung eingeflogen. Es gab viele Spekulationen, aber niemand hatte Erfahrung mit einem Fall wie diesem. Am nächsten Morgen, als Mech, Phillips und Smith sich dem Crystal-Creek-Gehege näherten, fanden sie plötzlich Wolfsspuren außerhalb des Geheges. Der Hirschkadaver, der an den Zaun gebunden war, war vollständig gefressen – überall Wolfsspuren. Mech stellte fest, dass die Wölfe ihr Gehege verlassen hatten, es jedoch nachts weiter als Heimatbasis nutzten. Dann aber

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