Die Wölfe von Yellowstone. Die ersten zehn Jahre (German Edition)
Finley, Bruce Babbitt und Jim Evanoff trugen Nummer Fünf in das Gehege. Sie setzten den Container ab ... und durften ihn nicht öffnen. Am Ende eines jahrelangen rechtlichen Kampfes um die Rückkehr der Wölfe schien es, als ob sie nun – so dicht vor dem Ziel – vielleicht doch noch verlieren würden. Was war geschehen?
Die Mountain States Legal Foundation, die die Rancher repräsentierte, hatte in letzter Minute, als die Wölfe bereits in der Luft waren, eine einstweilige Verfügung zum Stopp der Wiederansiedlung beim Berufungsgericht in Denver beantragt. Das Gericht entsprach diesem Antrag und verlangte 48 Stunden Zeit, um für eine Entscheidung die Unterlagen zu überprüfen. Zu diesem Zeitpunkt waren die Wölfe bereits mehr als 20 Stunden unterwegs. Alice Thurston, die Anwältin der Regierung, bat das Gericht, die Wölfe wenigstens in die Gehege entlassen zu dürfen, schließlich sei es kein Problem, die Tiere bei einem ablehnenden Bescheid wieder einzufangen. Die Richter jedoch lehnten ab, die Wölfe mussten in den Boxen bleiben. Der Tierarzt Mark Johnson sorgte sich. Weitere 48 Stunden in diesen engen Käfigen würden die Wölfe nicht überstehen. Die Boxen waren dunkel bis auf ein winziges Fenster, durch das die Betreuer nur ein paar Eiswürfel drücken konnten, um den Wölfen Wasser zu geben. Kot und Urin konnten nicht entfernt werden. Eine der Wölfinnen war läufig. Sie blutete und es bestand die Gefahr, dass der Stress sie unfruchtbar machen würde. Wenn Wölfe extrem gestresst sind, neigen sie dazu, sich in einen Benommenheitszustand zurückzuziehen. Dies geschah während der Wartezeit mit den Tieren.
Alle Mitarbeiter des Projektes erwarteten ruhelos am Telefon den Ausgang des Prozesses, äußerst besorgt um die Gesundheit der Wölfe, die nun seit 38 Stunden in ihren stählernen Gefängnissen warteten.
Endlich kam die erlösende Nachricht aus Denver: Die einstweilige Verfügung war aufgehoben worden. Ein Mitarbeiter sprang in sein Auto, um zum Crystal-Creek-Gehege zu rasen, wo Doug Smith bei den Wölfen ausharrte. Um 22.30 Uhr zogen sie die Schiebetüren an den Boxen hoch, ließen einen toten Hirsch im Gehege liegen und schlossen leise die Tür hinter sich. Alle sechs Wölfe lagen in der hintersten Ecke ihrer Container. Keiner wagte sich nach draußen.
Als schließlich auch im Rose-Creek-Gehege die Käfige der Wölfe geöffnet wurden, war die junge Nummer Sieben die Erste, die vorsichtig aus ihrer Box schlich. Ihre Mutter rührte sich nicht von der Stelle. Erst am nächsten Morgen war auch sie ins Freie gekommen.
Eine Woche später, am 20. Januar, kamen noch einmal sechs Wölfe aus Kanada nach Yellowstone. Diesmal mit wesentlich weniger Publicity. Dabei hätte dies einer der Wölfe sicher verdient: Nummer Zehn. Jeder, der einen Blick auf ihn werfen konnte, wusste, dass dies der schönste und mächtigste Wolf war, den Yellowstone je gesehen hatte. Aber der sechzig Kilo schwere Wolf war nicht nur groß und stark, am eindrucksvollsten war seine imposante Ausstrahlung. Er vereinte Kraft, Ruhe und Gelassenheit mit Würde und hatte etwas Magisches, das ihn von allen Wölfen unterschied. Im Gegensatz zu den anderen schaute er den Menschen direkt in die Augen und lenkte nie seinen Blick ab. Er hatte ohne Zweifel das souveräne Auftreten, das einen Wolf zum Leitwolf macht. Von den menschlichen Projektmitarbeitern war er als Gefährte für Nummer Neun vorgesehen.
Die anderen fünf Wölfe waren Rudelmitglieder und kamen in das Soda-Butte-Gehege. Unter ihnen war Nummer Zwölf, ein junger, kräftiger Rüde mit einem grauen Fell und leicht bläulichem Schimmer. Zwei Weibchen, Nummer Elf und Nummer Vierzehn, schienen keinen besonderen Führungsstatus zu haben. Nummer Fünfzehn, ein einjähriger, schwarz-silberner Rüde, war beim Einfangen fast gestorben, als der Betäubungspfeil seine Lungen getroffen hatte. Und schließlich gehörte zum Fang noch ein älterer kräftiger Rüde, der die Experten verblüffte: Sein dickes, silbriges Fell schimmerte tatsächlich blau!
Niemand wusste, ob die arrangierte Hochzeit von Nummer Neun und Zehn funktionieren würde. Steckt man wilde Wölfe aus verschiedenen Rudeln zusammen in ein Gehege, kann es zu heftigen Kämpfen kommen. Für das Dating-Experiment sprach, dass Nummer Neun in Kürze heiß werden würde. Die Biologen waren überzeugt, dass diese beiden wunderschönen Wölfe einfach füreinander geschaffen waren.
Als der imposante Wolf Nummer Zehn aus seinem Käfig
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