Die Wölfe von Yellowstone. Die ersten zehn Jahre (German Edition)
nichts außer einem etwa 700 Kilo schweren Bisonbullen. Mit großer Vorsicht schlich der Kleine näher, bis er nur noch etwa einen halben Meter vom Hinterteil des Bisons entfernt stehen blieb. Der Bison sah in die andere Richtung und war sich noch nicht seines »drohenden Schicksals« bewusst.
Verwirrt hielt der Jungwolf plötzlich mit dem Anschleichen inne, als ob er keine Ahnung hätte, was nun zu tun sei. Er hatte sich an die Beute herangeschlichen und wusste auf einmal nicht weiter. So stand er einfach nur da.
Vielleicht roch der Bison den Wolf oder der Kleine bewegte sich; aber der Bison schwang langsam seinen mächtigen Kopf nach hinten und schaute den Jährling an. Dann drehte er unbeeindruckt seinen Kopf zurück und fraß ruhig weiter.
Kurz darauf störte den Bison eine Fliege und er wedelte mit seinem Schwanz. Das war zu viel für den kleinen Wolf. Er machte vor Schreck einen Satz um die eigene Achse, klemmte den Schwanz ein und gab Fersengeld.
Instinktiv oder auch im Spiel erlernt wusste Nummer Acht, wie man sich heranschleicht. Aber er wusste nicht, was dann zu tun ist. Erst durch vielerlei Übungen, Spiel und vor allem durch das Beispiel der Eltern trainieren die kleinen Wölfe die Jagd.
Es dauert eine Weile, bis sie alles anwenden können, und manche Jagd misslingt. Junge Wölfe würden oft hungrig bleiben, wenn sie nicht erfahrene Eltern hätten.
Mit dem Herbst kommt die Brunftzeit. Die großen Wapitibullen haben jetzt Dauerstress, um ihre Hirschkühe zusammenzuhalten und gleichzeitig Konkurrenten abzuwehren. Sie sind gleichermaßen blind für Wölfe, Grizzlys oder Autos und am Ende der langen Paarungszeit oft so erschöpft, dass sie sich kaum noch auf den Beinen halten können. Das heisere Fiepen ihrer Brunftrufe klingt wie eine Mischung aus quietschender Tür und Eselsgeschrei und ist aus dem Maul eines so imposanten Tieres derart ungewöhnlich, dass besonders Touristen aus europäischen und asiatischen Ländern fasziniert und mit offenen Mündern lauschen. Die Brunftzeit ist auch die Zeit, in der die Hirsche am aggressivsten sind und gelegentlich auch einmal ein Auto als vermeintlichen Konkurrenten angreifen.
Die Bergwelt Wyomings und Montanas explodiert im Herbst in einem wahren Farbenrausch von goldenen Espen und blutrotem Ahorn. Der erste Schnee überzuckert die Bergspitzen, und die Touristen werden merklich weniger. Nachtfröste bedecken bereits die Rücken der Bisons mit einer Raureifschicht, und an klaren, frostigen Herbstmorgen kann man die Weißkopfadler in den Lüften zirkulieren sehen. In den höher gelegenen Gebieten beginnen die Elche mit dem Liebeswerben, und die Bären schlagen sich vor dem langen Winterschlaf noch einmal die Bäuche voll. Die Tiere des Parks bereiten sich auf den Winter vor.
Sommer und Herbst sind für die Wölfe die härteste Zeit des Jahres. Die Kleinen sind noch keine vollwertigen Jagdmitglieder und daher eher eine Belastung für das Rudel. Die Beutetiere sind kräftig und gesund. Jetzt hat die Wolfsfamilie alle Pfoten voll zu tun, um den Nachwuchs zu ernähren. Je größer das Wolfsrudel, um so schwieriger wird diese Aufgabe. Gleichzeitig wird es eng in den Familien, darum wandern jetzt viele geschlechtsreife Tiere aus dem Heimatterritorium ab.
Die Wolfswelpen haben inzwischen ihre dauernden Zähne bekommen und entwickeln das erste Winterfell. Für die Kälte von Yellowstone brauchen sie ein sehr dickes Fell. Wenn sie 30 Wochen alt sind, fangen die Kleinen an, mit dem Rudel auf kurze Jagdausflüge zu gehen. Die Wölfe wiegen dann etwa 14 bis 36 Kilogramm.
Mit etwa eineinhalb Jahren haben die Jungwölfe ihr optimales Wachstum erreicht. Die Wachstumsfugen an den Knochenenden schließen sich. Danach gewinnen die Tiere nur noch an Muskel- und Körpermasse. Am Ende ihres zweiten Jahres können die großen Rüden 45 Kilo und mehr wiegen, die kleineren Weibchen etwa 30 Kilo.
Zwischen zwei und zweieinhalb Jahren erreichen die Wölfe ihre sexuelle Reife. Die meisten von ihnen werden es dann vorziehen, die Familie zu verlassen, um eine eigene zu gründen. Andere bleiben zuhause und helfen, den nächsten Nachwuchs großzuziehen. Ihre Loyalität zum Leitpaar stellt sicher, dass die Gene der Eltern, die sie in sich tragen, an künftige Generationen weitergegeben werden.
Wie haben die Wölfe das Ökosystem verändert?
Februar 1999
Die Druids sind auf der Jagd. Schon längere Zeit haben sie keine Beute mehr gemacht. Ich beobachte sie seit mehreren Tagen im
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