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Die Wölfe von Yellowstone. Die ersten zehn Jahre (German Edition)

Die Wölfe von Yellowstone. Die ersten zehn Jahre (German Edition)

Titel: Die Wölfe von Yellowstone. Die ersten zehn Jahre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elli H. Radinger
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Lamar Valley. Die Spannung ist mit jedem Tag größer geworden, etwas liegt in der Luft. An diesem sonnigen Wintermorgen halten sie sich wieder im Tal auf. Eine ganze Weile bewache ich ihren Schlaf. Dann wachen sie auf und ich muss über ihr wölfisches Ritual des Mundwinkelleckens, Schwanzwedelns und die Unterwerfungsgesten schmunzeln, die die sozialen Bande festigen. Plötzlich kommt Aufregung bei den acht Wölfen auf. Sie versammeln sich um die Leitwölfe Nummer 21 und Nummer 42. Nach einem intensiven Heulkonzert ziehen sie los, aufgereiht wie an einer Perlenschnur. Es ist deutlich zu sehen: Die Druids sind hungrig – und sie haben ein Ziel.
    Dies spürt auch die Gruppe der Hirschkühe, die zuvor noch friedlich gegrast hat. Jetzt stehen sie zusammengedrängt, die Köpfe mit den Lauschern auf die Wölfe gerichtet. Die Anspannung ist greifbar.
    Die Wölfe ziehen zunächst scheinbar unbeteiligt an den Hirschen vorbei, teilen sich dann aber urplötzlich auf und beginnen den Sturm auf die Wapitis. Eine kleine Gruppe trennen sie schnell ab und verfolgen sie. Ihre Taktik ist von unserem Standort aus gut überschaubar. Drei Wölfe hetzen die Hirsche, die anderen umkreisen sie von links und rechts und nehmen sie so in die Zange. Zwei Hirschkühen gelingt es, auszubrechen. Während fünf Druids die andere Gruppe weiter und aus meinem Blickfeld hinaus hetzen, folgen zwei schwarze Jungwölfe den beiden Hirschkühen und konzentrieren sich schließlich auf das langsamere Tier. Die Hirschkuh hat sich in den kleinen Lamar River geflüchtet und behält heftig atmend die Angreifer im Blick. Die zwei Wölfe umkreisen sie und versuchen zunächst, sie an den Beinen zu packen. Aber die Beute ist noch lange nicht bereit aufzugeben. Sie tritt nach den Angreifern, die sich blitzschnell zurückziehen. Der nächste Versuch folgt von vorn. Jetzt schlägt das Tier mit seinen Hufen kräftig auf das Wasser, das nach allen Seiten spritzt. Sofort springen die Wölfe zurück. Immer wieder tritt die Hirschkuh ins Wasser, sodass die beiden Jungwölfe in kürzester Zeit pitschnass sind. Das wird ihnen nun doch zu viel. Sie schütteln sich, dass die Wassertropfen nur so fliegen, und laufen im wahrsten Sinne des Wortes wie »begossene Pudel« zu ihrem Rudel zurück. Die Hirschkuh ist noch einmal davongekommen. Noch lange steht sie mit zitternden Flanken im sicheren Fluss.
    Gerade habe ich eine der vielen Jagdtaktiken der Wölfe beobachtet und konnte dabei eine Überlebensstrategie der Hirsche verfolgen.
    Die Hirsche haben aus ihrer Vertreibung aus dem Paradies gelernt und sich angepasst. Früher, bevor die Wölfe nach Yellowstone kamen, sah ich sie oft in riesigen Gruppen friedlich grasen oder ruhen. Außer den Grizzlys und gelegentlich ein paar Kojoten hatten sie niemanden zu fürchten. Ähnlich erging es auch den Elchen und den Bisons.
    Aber seit die Wölfe zurück sind, haben ihre Beutetiere nach anfänglichen harten Lehrjahren ihre Unschuld verloren. Sie sind wachsam geworden, schauen lieber einmal zu viel als zu wenig über ihre Schultern. Sie haben sich angepasst und eigene Taktiken entwickelt, um zu überleben. Aber nicht nur die Beutetiere, sondern das komplette Ökosystem von Yellowstone hat sich durch die Rückkehr von Isegrim verändert.
     
    Immer noch streiten sich Wissenschaftler darüber, welche Spezies den meisten Einfluss auf ein Ökosystem hat – die an der Spitze oder die am Ende einer Nahrungskette. Um die Natur in ihrer Gesamtheit zu begreifen, muss man sich ihre kleinsten Kreaturen anschauen. Der Einfluss von Kleinstlebewesen auf das Ökosystem wird auch heute noch viel zu wenig beachtet. Und während die Spezialisten weiter darüber diskutieren, ob Hirsche oder Bisons durch ihr Grasungsverhalten die Landschaft von Yellowstone dauerhaft verändern, fallen in manchen Jahren Massen von Heuschrecken in den Park ein, die doppelt so viel fressen wie Hirsche und Bisons zusammen. Niemand von den Medien hält dies für erwähnenswert.
    Gleichwohl hat sich in der Wissenschaft die Auffassung durchgesetzt, dass die Natur eher von oben nach unten regiert wird als umgekehrt. Dass große Beutegreifer bedeutende Auswirkungen auf die Struktur und die Funktion von natürlichen Systemen haben und das gesamte Ökosystem beeinträchtigen, wird durch die Rückkehr der Wölfe bestätigt. Seit sie ihre alte Heimat wiederbesiedelt haben, ist das Spektrum der Beutegreifer mit Grizzlys, Schwarzbären, Berglöwen, Kojoten und Wölfen nach 70 Jahren wieder

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