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Die Wölfe von Yellowstone. Die ersten zehn Jahre (German Edition)

Die Wölfe von Yellowstone. Die ersten zehn Jahre (German Edition)

Titel: Die Wölfe von Yellowstone. Die ersten zehn Jahre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elli H. Radinger
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von den Kadavern als im folgenden Jahr. Die drei beobachteten Wolfsrudel töteten bei 65 Versuchen 16 Hirsche und fraßen dabei 23 Prozent der Kadaver in den ersten beiden Tagen.
    Dagegen war der nächste Winter, 1997/98, ein sehr milder Winter, in dem sich die Hirschpopulation langsam wieder erholte. Nun töteten die Wölfe nur noch fünf Hirsche bei 37 Versuchen, fraßen dafür aber 89 Prozent der Kadaver in den ersten beiden Tagen.
    Hatte man zunächst angenommen, dass die Hirsche, die zwei Jahre zuvor noch keine Wölfe kannten, den Beutegreifern mühelos zum Opfer fallen würden, so musste man nun feststellen, dass die Wölfe für die Wapitis in einem milden Winter trotz der Naivität der Hirsche keine Bedrohung waren.
    Die Ergebnisse in Yellowstone stimmen auch mit anderen Untersuchungen im Denali- und Glacier-Nationalpark überein. Wenn es einen milden Winter gibt, dann ist die Huftierpopulation sehr viel vitaler, beweglicher und widersteht oft besser den Angriffen der Wölfe.
    Harte Winter dagegen sind ein Nachteil für die Hirsche. Sie benötigen ihre Fettreserven als Hauptquelle für ihren Energieverbrauch.
    Die Menge und Tiefe des Schnees spielt ebenfalls eine Rolle. Nicht nur macht es der Schnee den Wapitis schwer, Nahrung zu finden, es ist für sie auch schwieriger, zu flüchten. Wölfe laufen mit ihren dicken Pfoten auf dem Schnee, während die Hirsche durchbrechen.
    In milden Wintern fressen die Wölfe mehr von ihrer Beute, da sie schwerer zu fangen ist. Sie haben also nicht die Möglichkeit, schnell einen anderen Hirsch zu töten.
    Die Untersuchung endete mit dem Ergebnis, dass der »dominante Einfluss« des Winters auf die Beziehung Wolf-Hirsch nicht ignoriert werden sollte: »Die Auswirkungen von Wölfen auf Hirschzahlen hängen von der Stärke des Winters ab. Daher sollte jedes Populationsmodell und jede Veränderung der Jagdregulierungen oder andere Management-Reaktionen diese wichtige Beziehung mit berücksichtigen.«
    Weiterhin ist zu beachten, dass auch andere große Beutegreifer sich von der Lieblingsnahrung der Wölfe ernähren. So tötet ein Puma im Jahr im Durchschnitt etwa alle neun Tage einen Wapiti. In einem durchschnittlichen Winter erlegt ein Rudel von zehn Wölfen jeden dritten Tag einen Hirsch, am Ende des Winters, wenn die Beute schwächer wird, jeden zweiten Tag.
    Hirschkälber spielen auch eine wichtige Rolle in der Nahrung von Kojoten und Bären. Vor der Wiederansiedlung der Wölfe töteten Kojoten etwa 1.200 Hirsche jährlich im Park (das sind etwa so viel Hirsche wie Grizzlybären und Pumas zusammen töteten).
    Deutlich verändert hat sich seit der Rückkehr der Wölfe das Grasungsverhalten der Hirsche. Vor 1995 waren sie noch unbedarft und zogen sorglos fressend durch das Lamar Valley. Dies änderte sich in den nächsten Jahren. Heute sind die Wapitis sehr viel scheuer geworden und stets auf der Hut. Im Sommer ziehen sie in höher gelegene Gebiete und teilen sich in kleinere Gruppen auf, das reduziert das Risiko, von Wölfen angegriffen zu werden. Bevorzugt suchen die Hirsche jetzt auch die ehemaligen Waldbrandgebiete auf. Dort gibt es ausreichend frisches Gras und nur wenige Wölfe. Wenn sich das Wetter ändert und Schnee kommt, werden sie wieder verletzlicher. Im Winter leben Wapitis und Wölfe eng zusammen im nördlichen Yellowstone. Dann besteht die beste Verteidigung der Hirsche darin, sich in möglichst großen Gruppen zusammenzuschließen.
    Erik Bergman von der Montana State University hat eine Studie durchgeführt, um festzustellen, wo sich Wölfe lieber aufhalten: dort, wo es mehr Hirsche gibt, oder dort, wo sie leichter angreifbar sind. Dabei hat er festgestellt, dass fast 45 Prozent der Tötungen in sogenannten »Umwelt-Fallen« geschehen. Flüchtet ein Beutetier beispielsweise mit seiner üblichen Taktik in einen Fluss, um dem Verfolger zu entkommen und ist das Wasser zu flach, hat es sich verkalkuliert.
    Sind Wölfe in der Nähe, ziehen Hirsche oft in höher gelegene Gebiete, wo es für die Beutegreifer schwieriger wird, sie zu jagen. Gelegentlich rennen die Wapitis auch zu einer Straße, die die Wölfe wegen der Menschen meiden. Diese Taktik jedoch kann sich auch wieder zu einer Umwelt-Falle für die Hirsche entwickeln, denn die Wölfe haben durchaus gelernt, diese Situation zu nutzen. So habe ich mehrmals beobachten können, wie die Wölfe auf der Jagd die Hirsche bewusst in Richtung Straße getrieben haben, auf der sehr viele Beobachter mit ihren Autos standen.

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