Die Wölfe von Yellowstone. Die ersten zehn Jahre (German Edition)
schwierigsten und einsamsten Zeit ihres Lebens wollte Natasha anscheinend immer noch in der Nähe ihres toten Partners sein.
Ein Sonderermittler der Regierung untersuchte den Fall. Die Ermittlungen und Verhöre führten schließlich zu Dusty Steinmasel, der – erleichtert, dass alles vorbei war – sofort gestand. Als die Beamten Chad McKittrick festnahmen, führte er sie zu Kopf und Fell von Arnold. Die Überreste des Wolfes kamen zur Untersuchung ins Regierungslabor nach Ashland, Oregon. Sie ergab, dass es sich bei dem getöteten Tier tatsächlich um Arnold handelte.
Damit Natasha überleben konnte, legten die Biologen Kadaver für sie aus. Die Wölfin nahm stets dieselbe Route von ihrer Höhle zur Fleischmahlzeit. Ein Trapper der Regierung legte fünf Spezialfallen entlang dieser Strecke. Er bedeckte die Fallen mit Schmutz und Laub und überdeckte seinen Geruch durch Kot von Arnold. Jede Falle hatte einen Radiosender, der beim Zuschnappen ein Signal sendet.
Am frühen Morgen des 17. Mai 1995 schloss sich eine Falle um das Bein von Natasha. Nach einem kurzen, verzweifelten Kampf gab sie auf und fügte sich in das Unvermeidliche. Sie wurde von den Beamten betäubt und untersucht. Natasha war in gutem Gesundheitszustand, wenn auch ein wenig zu dünn.
Ein neuer Schreck erwartete die Biologen, als sie zur Höhle kamen, um die Welpen zu holen: Sie waren verschwunden. Natasha hatte – vermutlich in der Nacht vor ihrer Gefangennahme – eine neue Höhle gegraben. Verzweifelt suchten die Männer mehrere Stunden nach den Tieren, bis sie sie endlich fanden. Nach und nach holten sie die Kleinen aus der Höhle heraus, bis auch das letzte, das achte Wölfchen, in Sicherheit war. Natasha und ihre Welpen kehrten zurück in das vertraute Rose-Creek-Gehege, in dem einst ihre Romanze mit Arnold so hoffnungsvoll begonnen hatte.
Während Natasha wieder eingesperrt war, konnte Chad McKittrick seine Freiheit noch genießen. Das Gericht in Billings, vor dem er angeklagt war, ließ ihn auf Kaution frei. Aber McKittricks krankhafte Persönlichkeit zeigte sich im Laufe der nächsten Monate immer mehr. Entgegen der Kautionsauflage ritt er bei der Unabhängigkeitsparade am 4. Juli in Red Lodge mit und trug dabei ein T-Shirt mit der Aufschrift »Northern Rockies Wolf Reduction Project« (Wolfsvernichtungsprojekt). Mehrmals ritt er mit seinem Pferd in eine Bar, aus der er hinausgeworfen wurde. Einige Wochen später verhaftete man ihn erneut, diesmal wegen Trunkenheit am Steuer und Besitz von Marihuana. Wieder frei wurde sein Verhalten noch merkwürdiger und gewalttätiger. Er bedrohte Briefträger und Touristen, die an seinem Haus vorbeifuhren, mit dem Gewehr, schoss auf die Hunde seiner Nachbarn und gab seinen Bewunderern, die ihm in der Bar Drinks spendierten, Autogramme – auch denen, die keine wollten.
Ende Oktober 1995 begann in Billings der Prozess gegen McKittrick, der zu seiner Verteidigung behauptete, er sei der Überzeugung gewesen, es habe sich bei dem getöteten Tier um einen Hund gehandelt. Steinmasel aber sagte als Zeuge der Staatsanwaltschaft aus, dass McKittrick genau wusste, dass er einen Wolf erschoss.
Die Beratung der Jury (acht Männer und vier Frauen, einige davon Rancher) dauerte eineinviertel Stunden. McKittrick wurde für schuldig befunden, ein vom Aussterben bedrohtes Tier getötet, seine Überreste behalten und transportiert zu haben. Er erhielt ein halbes Jahr Gefängnis, gefolgt von einem Jahr verschärfter Bewährung. Darüber hinaus bekam er eine Geldstrafe von 10.000 Dollar. Dusty Steinmasel hat niemals einen Cent von der Belohnung gesehen. Er lebt und arbeitet auch heute noch in Red Lodge.
Natasha und ihre Welpen verbrachten den Sommer in der Sicherheit des Rose-Creek-Geheges. Das Lamar Valley ist bekannt für seine heftigen Sommerstürme. Eines Nachts warf ein mächtiger Orkan zwei große Douglasien auf den Gehegezaun. Damit begann eine Geschichte, die die Biologen im Laufe der nächsten Wochen gelegentlich an ihrem Verstand zweifeln ließ.
Die kleine Wolfsfamilie hatte den Sturm gut überstanden. Die Bäume hatten jedoch eine nicht erkennbare Lücke in den Zaun gerissen, eine kleine Öffnung in Bodennähe, gerade groß genug für einen neugierigen Jungwolf. Als die Biologen am nächsten Morgen zum Gehege kamen, waren alle acht Kinder von Natasha fort. Jedoch waren die Ausreißer nicht ganz so mutig. Denn als die Forscher am Nachmittag zurückkamen, um den Zaun zu flicken, sausten drei Wölfchen
Weitere Kostenlose Bücher