Die Wölfe von Yellowstone. Die ersten zehn Jahre (German Edition)
Arnold machte seinem Namen alle Ehre und versuchte zunächst, Natasha zu dominieren, die sich dies jedoch nicht gefallen ließ und stattdessen mit ihrem Charme innerhalb weniger Tage aus Macho-Arnold einen verliebten, sie anbetenden Wolf machte. Amors Pfeil war deutlich spürbar und die beiden wurden ein Paar. Sie liefen nebeneinander her, fraßen zusammen und schliefen eng zusammengerollt mit Körperkontakt.
Als am 21. März 1995 das Gehege des Rose-Creek-Rudels (wie jetzt die kleine Familie von Natasha, Arnold und Natashas Tochter hieß) geöffnet wurde, ahnte noch niemand, dass die beiden bereits den ersten Wolfsnachwuchs von Yellowstone gezeugt hatten.
Arnold war der Erste, der nach der Öffnung des Geheges hinauslief und dort auf seine Gefährtin wartete. Wenige Tage nach dem Aufschneiden des Zauns näherten sich eines Morgens im Schneesturm die Biologen Mike Phillips, Doug Smith und Mark Johnson mit einem Kadaver, um die Wölfe, die anscheinend immer noch nicht das sichere Heim verlassen wollten, in die Freiheit zu locken. Plötzlich hörten sie ein lautes Heulen hinter ihnen. Nur wenige Meter entfernt stand Arnold auf einer Anhöhe, der Schnee blies durch sein dichtes Fell und der Sturm trieb sein kraftvolles Rufen weit in die Bergwelt Yellowstones. Die überraschten und begeisterten Biologen ließen den Kadaver fallen und zogen sich zurück, um den Wolf nicht zu verscheuchen. Arnold jedoch hatte überhaupt nicht die Absicht, sich vertreiben zu lassen. Er folgte ihnen in einer gewissen Entfernung und heulte im wirbelnden Sturm als Geistersilhouette von den Bergkämmen über ihnen hinunter. Der stolze und schöne Arnold war der erste Wolf, der nach 60 Jahren Abwesenheit wieder frei in Yellowstone war.
Wenige Tage später lockte er auch Natasha in die Freiheit.
Im fernen Kanada indes ereilte Natashas restliche Familie ihr Schicksal. Ein großer, grauer Wolf mit einem steifen Hinterbein (vermutlich durch die Kugel eines Ranchers oder die Schlinge eines Trappers verursacht) besuchte immer wieder das Waldstück, in dem seine fünf Welpen verschwunden waren. Drei waren in Schlingen gestorben. Seine Gefährtin – Natasha – hatte die Fallen gemieden und mit ihren zwei Töchtern die Nacht überlebt. Am nächsten Tag waren sie mit Radiohalsbändern und Ohrmarkierungen wieder aufgetaucht. Einen Monat später verschwanden sie erneut im lauten Lärm eines Hubschraubers. Rick Stelter sah in den Wochen danach gelegentlich den großen, grauen Wolf immer in dem Wäldchen, wo er die anderen Wölfe gefangen hatte. Aber der Rüde war zu klug, um in die ausgelegten Schlingen zu gehen und vermied auch die Fallen. Es dauerte sechs Wochen bis Stelter ihn schließlich fing und tötete. Er brachte es nicht fertig das Fell des Wolfes, das einen beträchtlichen Wert hatte, zu verkaufen und behielt es, wie er sagte, als »wehmütige Erinnerung«, an den stolzen Wolf und die besondere Beziehung zwischen dem Jäger und dem Gejagten.
Am 12. April wurde Natashas andere Tochter, die Schwester von Nummer Sieben, von einem Rancher in der Nähe von Edson, Alberta erschossen, als sie sich einigen kalbenden Kühen näherte.
Zur selben Zeit verschwanden Natasha und Arnold aus dem Park. Erst am Morgen des 24. April konnten sie wieder geortet werden. Sie hielten sich in der Nähe von Red Lodge, Montana, außerhalb der Sicherheit des Nationalparks auf. Dass Wölfe keine Karten lesen können und die Tatsache, dass Arnold keine Angst vor Menschen hatte, sollte ihnen zum Verhängnis werden.
Ende April 1995 war Chad McKittrick, ein 41-jähriger arbeitsloser Schreiner, mit seinem Freund Dusty Steinmasel in der Nähe von Red Lodge auf der Jagd. Als McKittrick einen großen Wolf auf einer Anhöhe stehen sah, sagte er zu seinem Kumpel: »Das ist ein Wolf. Den knall ich jetzt ab!« Arnold, der stolze, furchtlose und schöne Wolf, schaute sich nicht nach seinem Mörder um, obwohl er ihn vermutlich bemerkte. Natasha, die in seiner Nähe war, musste den Schuss gehört haben. Arnold drehte sich einmal um seine eigene Achse, biss nach der Wunde in seinem Rücken, fiel hin, strampelte zweimal mit den Beinen und blieb dann still liegen.
Eine einzige sieben Millimeter Magnum-Kugel hatte Arnold in die Brust getroffen und war auf der anderen Seite wieder ausgetreten. Sie hinterließ einen massiven Bluterguss in den Lungen und eine zerfetzte Leber. Der stolzeste und schönste Wolf von Yellowstone war sofort tot. (Seine Freunde und Verehrer sahen später als
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