Die Wölfe von Yellowstone. Die ersten zehn Jahre (German Edition)
Ende des Winters waren sie wieder in ihrem ursprünglichen Heimatterritorium in Yellowstone, so, als wäre nichts geschehen ...
Probleme
Februar 2003
Flughafen Bozeman, Abfertigungsschalter von Delta Airlines. Sechs Uhr morgens. Wir haben unsere Koffer aufgegeben und die Bordkarten für den Flug nach Salt Lake City und weiter über Atlanta nach Frankfurt erhalten. Abschiedsstimmung macht sich bei meiner kleinen Gruppe breit. Nach zehn Tagen in der Einsamkeit und bei den Wölfen will keiner nach Hause fliegen. Während ich in wenigen Wochen schon wieder mit der nächsten Gruppe von Wolfsbeobachtern hier bin, müssen die anderen noch eine ganze Weile länger warten, bis sie zurück ins »gelobte Wolfsland« können. Wiederkommen wollen die meisten von ihnen.
Damit der Abschied nicht so schwerfällt, stürzen sich die meisten der Wolfsfans noch einmal in den kleinen und wohl sortierten Souvenirladen des Flughafens, um vielleicht doch noch ein paar allerletzte Wolfsartikel zu ergattern (als ob die Koffer nicht schon randvoll wären mit Wolfshemden, Wolfsbüchern, Wolfstassen, Wolfs-CDs usw.).
Unterdessen schlendere ich zu dem fahrbaren Cappuccino-Stand, dem einzigen Ort, wo man um diese Zeit schon etwas Heißes zu trinken bekommt. Elli, die ältere Bedienung mit dem schneeweißen Haar und den vielen Lachfältchen, begrüßt mich wie eine lang vermisste Freundin und bereitet schon meine Spezialmischung »koffeinfreier Kaffee Latte« zu, noch bevor ich es aussprechen kann. In all den vielen Jahren, die ich hierher komme, sind Elli und ich gute Bekannte geworden, und das nicht nur wegen unserer gemeinsamen Vornamen oder der Tafel deutscher Schokolade, die ich ihr ab und zu mitbringe. Sie findet es faszinierend, dass so »crazy Germans« den weiten Weg auf sich nehmen, um die Wölfe zu sehen.
Während ich meinen Milchkaffee genieße, erzähle ich ihr von der letzten Tour und den Wolfserlebnissen, die wir hatten. Ellis Lachfältchen streuen einen noch breiteren Kranz um ihre Augen, wenn sie voller Begeisterung ausruft »how wonderful« sie das alles findet. Und mit genau dieser Freude strahlt sie auch zwei hochgewachsene Männer mit sonnengegerbten Gesichtern an, die sich ihr mit blank geputzten Cowboystiefeln nähern und mit tief in die Stirn gezogenem Cowboyhut einen Kaffee bestellen.
Während Elli ihnen flink den Wunsch erfüllt, erzählt sie mit vor Aufregung glühenden Wangen, dass wir sogar von Germany gekommen seien, um die Wölfe zu sehen. »Isn’t that nice?«
Der Blick der beiden Männer wird eiskalt, als sie mich von oben bis unten mustern. Ich muss mich an der Kaffeetasse wärmen, so fröstelt es mich plötzlich.
»Ein guter Wolf ist ein toter Wolf«, zischt einer der Männer – offensichtlich Rancher. Wölfe würden alle seine Rinder fressen, und er wolle nichts mit ihnen zu tun haben, fügt er noch hinzu. »Und mit den Deutschen genauso wenig«, bemerkt der andere Mann und spielt damit auf die neuesten Nachrichten an, die gerade im Flughafenfernsehen über Deutschlands Widerstand gegen den amerikanischen Einmarsch im Irak berichten.
Wir beiden Ellis wagen es nicht, gegen die geballte Hasstirade anzugehen und ziehen es vor, uns mit bedauerndem Schulterzucken voneinander zu verabschieden.
In diesem kurzen Moment habe ich einen kleinen Einblick in das Gefühlsleben der Rancher bekommen und bewundere die, die sich mit ihnen auseinandersetzen müssen, sei es damals bei den Anhörungen zur geplanten Wiederansiedlung oder bei der Begutachtung getöteter Rinder zur Feststellung, ob ein Wolf der Täter war und den Ranchern Entschädigung zustand.
Der Hass der Rancher und Jäger auf die Wölfe ist eines der großen und vermutlich auch unlösbaren Probleme in Montana, Wyoming und Idaho.
Aber nicht nur die Wolfsgegner sind ein Problem, sondern auch die Wolfsfreunde, die wie wir in immer größerer Zahl nach Yellowstone kommen, um die Wölfe zu sehen. Zwar sieht es auf den ersten Blick nicht so aus, als könne man die beiden vergleichen. Schließlich unterstützen und fördern wir Wolfsbeobachter mit unseren Geldern ja den Park und die umliegenden Gemeinden. Und so zeigt sich erst auf den zweiten Blick – und nur bei näherem Hinsehen –, dass auch wir möglicherweise mit dazu beitragen, das Leben der Wölfe zu gefährden.
Ein nie endender Krieg: Rancher gegen Wölfe
Als ich 1992 wieder einmal den Sommer in Yellowstone verbrachte und in dem kleinen Ort Silver Gate am Nordosteingang des Parks lebte,
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