Die Wölfe von Yellowstone. Die ersten zehn Jahre (German Edition)
kanadischen Wölfe waren Überlebenskünstler, aufgewachsen in einem Gebiet, in dem sie massiv gejagt wurden. Man hoffte, dass sie in Yellowstone die besten Überlebenschancen haben würden.
Die ersten Tiere, die gefangen wurden, waren am 10. Januar Wölfin Nummer Neun und ihre Tochter Nummer Sieben. Nummer Neun sollte später die Leitwölfin des Rose-Creek-Rudels und die berühmteste Wölfin des Parks werden. Die Tiere wurden auf Tragen in eine Halle gebracht und mit Decken zugedeckt, damit ihre betäubten Körper nicht auskühlten. Jeder Wolf hatte eine Nylon-Augenmaske, um seine empfindlichen Pupillen gegen das Licht zu schützen. Die Tierärzte taten ihr Bestes, um eine ruhige Atmosphäre zu schaffen. Während der Untersuchung auf Wunden, Parasiten und Krankheiten kontrollierten die Biologen ständig Temperatur, Atmung und Puls des Tieres. Es wurde gemessen, gewogen und Blut abgenommen. Dann legte man den so malträtierten Wolf in eine Transportkiste – bereit für seine Reise ins Ungewisse.
Am 11. Januar flogen die ersten Wölfe von Hinton, Alberta, über Edmonton nach Great Falls, Montana. Dort wurden die Boxen auf große Pferdetransporter umgeladen. Begleitet von einem Ranger-Fahrzeug mit Blaulicht machten sie sich dann zur letzten Etappe des »Abenteuers Freiheit« auf.
Als am 12. Januar 1995 die ersten acht Wölfe durch den berühmten steinernen Torbogen in den Yellowstone-Nationalpark fuhren, empfing sie eine jubelnde Menschenmenge, die die Straßen säumte. Sie wurden in das Crystal-Creek- und in das Rose-Creek-Gehege gebracht.
Am 20. Januar 1995 kamen noch einmal sechs Wölfe nach Yellowstone (in das Rose-Creek- und das Soda-Butte-Gehege). Damit waren nach 30-jähriger Abwesenheit wieder 14 Wölfe nach Yellowstone zurückgekehrt.
Harte und weiche Freilassung
Die Wissenschaft der Wiederaussiedelung von Tieren ist noch jung und wirft viele Fragen auf, beispielsweise wie der Stress für die Tiere verringert wird, wie man die Tiere dazu bringen kann, im neuen Gebiet zu bleiben, und welche Methode am wenigsten kostet. Für die Rückkehr der Wölfe nach Idaho und Yellowstone entschied man sich für zwei Varianten: eine so genannte »weiche« und eine »harte« Freilassung.
Bei der harten Freilassung werden die Wölfe am neuen Ort sofort wieder freigelassen. Dies ist die kostengünstige und stressfreieste Methode. Der Nachteil ist, dass die Wölfe, denen ihre neue Umgebung fremd ist und die emotional noch an ihre frühere Heimat gebunden sind, dazu neigen, abzuwandern und sogar über Hunderte Kilometer nach Hause zurückzukehren, so geschehen in Idaho.
Es muss beachtet werden, dass Wölfe sehr territorial sind. Wenn die Tiere aus ihrem Heimatrevier gerissen und in einen völlig neuen Lebensraum gebracht werden, sind sie extrem verunsichert, weil sie nicht wissen, ob sich in diesem Gebiet nicht andere Wolfsrudel befinden. Das könnte ihren Tod bedeuten. Daher wanderten die Wölfe in Idaho unmittelbar nach ihrer Freilassung sofort ab und versäumten so auch die Paarungszeit und die Chance, Nachwuchs zu zeugen.
Bei der weichen Freilassung, wie sie in Yellowstone praktiziert wurde, brachte man die Wölfe zunächst für zwei Monate in ein Akklimatisierungsgehege und ließ sie erst wieder frei, als sie sich eingewöhnt hatten. Diese Alternative war mit hohen Kosten und viel Personal verbunden, da die Tiere gefüttert und auch bewacht werden mussten. Die Wölfe schienen sich schnell ihren Verhältnissen anzupassen. Schon in ihren Gehegen paarten sie sich und bildeten eigene kleine Familienverbände. Die trächtigen Weibchen hatten weniger Lust abzuwandern, und alle Rudel blieben nach der Öffnung der Zäune im Park. Um herauszufinden, ob es in ihrer Nähe andere Wolfsrudel gab, heulten sie während der ersten Wochen nach ihrer Ankunft Tag und Nacht und lauschten auf eine mögliche Antwort.
Die Wiederansiedlung war in Yellowstone teurer als in Idaho, aber die Zahl der Wölfe, die im Gebiet blieben, war auch viel höher.
Im nächsten Winter probierte man in Yellowstone eine Kombination von weicher und harter Freilassung aus. Das Lone-Star- und das Chief-Joseph-Rudel wurden für zwei Monate akklimatisiert und dann in ihr neues Revier im südlicheren, einsameren Teil des Parks gebracht. Man hoffte, dass die Wölfe eine Art Heimatgefühl entwickeln würden. Beide Rudel verließen jedoch nach einiger Zeit ihr Revier, bewegten sich aber weniger weit fort als die in Idaho »hart« freigelassenen Tiere.
Wir,
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