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Die Woelfin

Die Woelfin

Titel: Die Woelfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vampira VA
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hatte ihn ins Schwitzen gebracht.
    »Nimm dir das Geld, das dort liegt.«
    Er zeigte keine Reaktion. Wie angewurzelt stand er da, das volle Tablett in den Händen.
    »Danke!«
    Endlich bequemte er sich zu der Anrichte, stellte das Tablett darauf ab und strich die zuvor ausgehandelte Summe ein. Mit derselben Schwerfälligkeit, wie er gekommen war, entfernte er sich auch wieder.
    Ich ging ihm nach und drückte die Tür ins Schloß, verzichtete aber darauf, sie zu verriegeln. Vielleicht würde ihm einfallen, wiederzukommen, wenn er sich von seiner Verblüffung erholt hatte.
    Er mußte mich für völlig übergeschnappt halten. Als ich hier ankam, hatte ich noch meine Haare besessen. Und nun war ich so nackt wie bei meiner Geburt, aber nicht halb so unschuldig .
    Ich ging und nahm mir einen Fetzen von dem enthäuteten und entbeinten Fleisch, das der Wirt gebracht hatte. Es fühlte sich gut an.
    Es roch ganz frisch, wie ich es bevorzugte. Also hob ich es an meinen Mund und biß ein saftiges Stück davon ab.
    Augenblicklich wurde mein ranker Körper von einem Zittern durchlaufen, als hätte es nur dieses einen Happens bedurft, um ihn zu gemahnen, was bald geschehen würde. Mit ihm und mir, die ich darin hauste.
    Schwindelgefühl und forderndes Pochen marterten mich unter meiner Schädelplatte. Brüste und Zwerchfell begannen zu kribbeln. Dennoch zwang ich mich dazu, die erste Mahlzeit seit meiner Ankunft hier weiter bedächtig kauend zu verschlingen.
    Rohes Fleisch zu verzehren, in dem noch die Wärme eines gerade erst erloschenen Lebens nachschwang, war als Delikatesse von nichts zu übertreffen. Aber auch solcher Genuß lenkte mich nur kurz von meinen übermächtigen Sorgen um Landru ab.
    Mit welchem Satz hatte mich Chiyoda aus meiner Tatenlosigkeit geschreckt? »Ich finde deinen Geliebten nicht mehr - in keiner der mir zugänglichen Wirklichkeiten und Zukünfte ...!«
    Noch am selben Tag, da ich dies erfahren hatte, war der Entschluß in mir gereift, den einzigen Orte aufzusuchen, von dem ich mir vorstellen konnte, daß ich dort etwas über Landrus Verbleib in Erfahrung bringen könnte.
    So war ich zu diesem einsamen Gasthof gelangt.
    Gedankenversunken durchschritt ich das schäbige Zimmer, öffnete Fensterläden, die lange keine Farbe mehr gesehen hatten, aber die schlimmste Mittagshitze fernhielten, und spähte über die weite Ebene, die sich vor mir ausbreitete, hin zu jenem gewaltig aufragenden erloschenen Vulkankegel, dessen Gipfel auch sommers von Eis bedeckt blieb.
    Der Berg, an dessen Gestaden - schenkte man den Verfassern des Alten Testaments Glauben - Noahs Arche nach hundertfünfzigtägi-gem Regen vor Anker gegangen war .
    *
    Der Gasthof, der Platz genug für eine ganze Reisegesellschaft geboten hätte, beherbergte keinen Fremden außer mir. Ich war der einzige Gast überhaupt. Nur der Wirt selbst, seine matronenhafte Frau und seine fünf Kinder, die eher die Bezeichnung »Bälger« verdienten und von denen stets eines am Plärren war, hielten sich mit mir in dem heruntergewirtschafteten Haus im Schatten des Großen Ararat auf.
    Mit wachsender Ungeduld sehnte ich den Abend herbei. Das Begräbnis der Sonne und die Auferstehung des Mondes.
    Ich hatte das Fleisch der übergroßen Hitze und der Schwärme von grünschillernden Schmeißfliegen wegen hastiger hinunterschlingen müssen, als mir der Sinn stand.
    Den von mir erhofften Zweck erfüllte das Mahl dennoch.
    Die Verdammnis, die ich von meinem Vater ererbt hatte, nahm vorzeitiger als sonst Besitz von mir und ersetzte die Haare, die ich bei Tage sorgsam entfernt hatte, durch neue, borstigere, die mir dennoch willkommen waren.
    Ich hatte Landru auf vielen seiner Reisen begleitet - aber nie an jenen Ort, den er als »Heimstatt der Hüter« bezeichnete. Oder als »Dunklen Dom«.
    Ihm dorthin zu folgen, wo er vor mehr als tausend Jahren den Gral der Vampire empfangen hatte, versagte er selbst mir. Aber nicht, weil er mir nicht genügend Vertrauen entgegenbrachte, sondern weil er nicht der Herr jenes Hauses im Berg war.
    Im Grunde, hatte er mir erklärt, sei auch er nur ein Diener, ohne daß er - was ihn oft beschäftigte - zu sagen vermochte, wem genau er eigentlich diente.
    Vielleicht war ihm dieses Nichtwissen letztlich zum Verhängnis geworden.
    Vielleicht wäre alles - alles! - anders gekommen, wenn die Macht, die ihn einst im Dunklen Dom erweckt hatte, ihm ein klein wenig mehr Kenntnis über die tiefere Bedeutung seines Tuns mit auf den Weg gegeben

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