Die Woelfin
Landers wirklichen Schmerz, so tiefgehend, daß er glaubte, die Schatten des Todes müßten im nächsten Moment über ihn kommen.
Und registrierte mit Schrecken, daß er diesmal auf einen mindestens ebenbürtigen Gegner getroffen war!
Diese Erkenntnis schien neue Energiequellen tief in seinem Inneren freizulegen, gab ihm die nötige Kraft, noch einmal und mit aller Macht auf sie einzudringen.
Und endlich bekam er seine Gegnerin in den Griff. Mit aller Gewalt schleuderte er sie gegen den Stamm jenes Baumes, in dessen Krone sie ihm aufgelauert hatte. Ihr Stöhnen bewies ihm, daß er ihr hart genug zugesetzt hatte, um sie für kurze Zeit aufzuhalten und selbst neue Kraft zu schöpfen.
Fast wider Willen stoppte er für Sekunden seinen Angriff. Noch einmal drängte sich die Sorge in den Vordergrund seines Denkens, daß er mit dieser Kreatur wohl auch wichtige Informationen über sich selbst vernichten würde. Aber ließ sie ihm eine Wahl?
Ein Blick in ihr haßverzerrtes, blutiges Gesicht gab ihm die Antwort.
Vielleicht war dies seine letzte Chance für den Todesstoß.
*
Einem Bündel ungeschickt geschmiedeter Dolche gleich rasten Landrus Krallen auf Nonas Gesicht zu. Daß sie ihnen entging, durfte sie nicht ihren Reflexen zuschreiben, sondern allein ihrer Schwäche. Sie hatte sich völlig verausgabt.
Kraftlos sank sie entlang des Stammes zu Boden.
Landrus Klauen schlugen über ihr ins Holz, so heftig, daß der Baum erbebte. Trockenes Laub löste sich aus dem Geäst über ihnen und taumelte herab.
Mit einer Beinschere brachte Nona den Vampir zu Fall. Gewonnen hatte sie damit indes nichts. Ihre Kraft floß buchstäblich aus ihr heraus. Die Wunden, die Landru ihr beigebracht hatte, waren so tief, daß sie kaum mehr zu heilen schienen; zumindest nicht schnell genug, um sie in diesem Kampf nicht zu behindern.
In diesem sinnlosen, entwürdigenden Kampf .
Warum nur wollte Landru ihn führen? Was war mit ihm geschehen?
Er gab vor, sie nicht mehr zu kennen. Konnte es denn wirklich sein, daß die Vergangenheit jede Bedeutung für ihn verloren hatte?
Die Wölfin und der Kelchhüter - ein Gespann, das einzigartig gewesen war auf dieser Welt, in jeder Hinsicht. Konnte diese Beziehung so enden?
Vielleicht mußte sie so enden ...
Nona raffte alle Kraft zusammen, derer sie noch habhaft wurde.
Aber konnte diese Kraft genügen, um gegen ihn zu bestehen - nicht gegen irgendeinen Vampir, sondern gegen Landru, den Mächtigsten der Alten Rasse?
Nein ...
Und doch wollte Nona alles in die Waagschale werfen. Kampflos würde sie sich nicht ergeben. Auch ihrem jahrhundertelangen Geliebten nicht. Wenn er ihr Leben wollte, mußte er es sich holen - und sie würde es so teuer als nur möglich verkaufen!
Noch einmal traf sie Landru mit ihren Pranken, riß ihm tiefe Wunden in Brust und Bauch. Sein kaltes Blut blieb an ihren Klauen haften.
Dann war es vorbei.
Haltlos wirbelte Nona unter Landrus Hieben herum. Immer tiefere Wunden machten ihr jede noch so geringe Bewegung zur Höllenqual. Ihr Leib war eingewoben in ein Netz aus Wärme, gespeist von Schmerz und Blut.
Und schließlich, nach einer Ewigkeit, in der Landru sich einem Berserker gleich an ihr ausgetobt hatte, war der Punkt erreicht - der Punkt, an dem Nona wußte, daß der nächste Schritt sie an einen Ort bringen würde, von dem es keine Wiederkehr geben konnte.
Sie stand an der Schwelle des Todes. Dorthin getrieben von dem Mann, mit dem sie ihr Leben geteilt hatte, selbst dann, wenn weite Fernen sie getrennt hatten. Etwas hatte sie stets verbunden und eins sein lassen - bis heute .
»Nein ...« Nonas Röcheln war kaum verständlich, aber es genügte, um Landru einhalten zu lassen.
»Hör ... auf ...«, kam es wie das verebbende Flüstern des Windes von ihren Lippen, ». bitte .«
Im Licht des Mondes, der unzählige Male Zeuge ihrer gemeinsamen Nächte gewesen war, schien Landru ihr wie ein Monstrum aus einer anderen Welt. Schwarz zeichnete sich seine Kontur darin ab, riesenhaft schien ihr seine Gestalt - und unheimlich fremd aller Ver-trautheit zum Trotz .
»Warum sollte ich das tun?« knurrte der Vampir. Seine Stimme war im gleichen Maße entartet wie sein Leib, war nun die eines Tieres - eines Ungeheuers. Aber sie kam keuchend, als wäre auch er am Ende seiner Kräfte.
»Weil ich dich darum bitte«, flüsterte Nona. »Um der Vergangenheit willen .«
Ein kehliger Laut, der ein Lachen sein mochte.
»Hat es diese Vergangenheit denn je gegeben?« fragte Landru
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