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Die Wohlgesinnten

Die Wohlgesinnten

Titel: Die Wohlgesinnten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Littell
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dem Rauschen des Wassers auf den Blättern der Bäume, auf den Balkonfliesen, dem Wellblechdach, im Gras und auf der feuchten Erde.
    Es regnete drei Tage hintereinander. Die Sanatorien füllten sich mit Verwundeten, die von Malgobek und Sagopschi kamen, wo unsere neue Offensive gegen Grosny endgültig am erbitterten Widerstand scheiterte. Korsemann verteilte Orden an die Freiwilligen der SS-Division Wiking, blendend aussehende blonde Burschen, die noch ein wenig verstört waren, weil sie im Shuruktal, unterhalb von Nishni Kurp, ins Kreuzfeuer geraten waren und schwere Verluste erlitten hatten. Die neue Militärverwaltung des Kaukasus nahm ihre Arbeit auf. Anfang Oktober erhielten auf Anordnung des Generalquartiermeisters Wagner sechs Kosaken-Kreise mit 160 000 Einwohnern das neue Statut der »Selbstverwaltung«; die karatschaiische Autonomie sollte anlässlich eines großen Festes in Kislowodsk offiziell verkündet werden. Mit anderen maßgeblichen SS-Offizieren aus der Region wurde ich von Korsemann und Bierkamp abermals nach Woroschilowsk zitiert. Korsemann war beunruhigt wegen der eingeschränkten polizeilichen Machtbefugnisse der SS in den selbstverwalteten Bezirken, wünschte aber, die Politik der verstärkten Zusammenarbeit mit der Wehrmacht fortzusetzen. Bierkamp dagegen war fuchsteufelswild; er bezeichnete die Ostpolitiker als Zaristen und baltische Barone: »Mit dieser grandiosen Ostpolitik lebt der Geist von Tauroggen wieder auf«, rief er aus. Privat gab mir Leetsch durch die Blume zu verstehen, dass Bierkamp sich wegen der Exekutionszahlen, die pro Woche über einige Dutzend nicht hinauskamen, große Sorgen mache: Von ein paar Handwerkern abgesehen, die der Wehrmacht als Schuster und Schneider dienten, waren die Juden der besetzten Gebiete alle liquidiert; Partisanen und Kommunisten wurden kaum erwischt; was die nationalen Minderheiten und die Kosaken anging, die Mehrheit der Bevölkerung, so waren sie jetzt praktisch unantastbar. Ich fand diese Einstellung von Bierkamp zwar etwas beschränkt, konnte ihn aber verstehen: In Berlin beurteilte man die Leistungder Einsatzgruppen nach ihren Quoten, und ein Aktivitätsrückgang konnte als Energiemangel des Kommandeurs gedeutet werden. Dabei war die Gruppe durchaus nicht untätig. In Elista, am Rande der Kalmückensteppe, bildeten sie in Hinblick auf die Eroberung dieser Stadt ein Sk Astrachan; in der Umgebung von Krasnodar liquidierte das Sk 10 a, nachdem es die vorrangigen Aufgaben erledigt hatte, alle Anstalten für Schwachsinnige, Wasserköpfe und Erbkranke, wobei man sich vorrangig eines Gaswagens bediente. In Maikop ging die 17. Armee wieder zum Angriff auf Tuapse über, und das Sk 11 musste seinen Beitrag zur Unterbindung eines sehr aktiven Bandenunwesens in den Bergen leisten, in einem zerklüfteten Gebiet, das durch den Dauerregen noch unwegsamer wurde. Am 10. Oktober feierte ich meinen Geburtstag mit Voss im Restaurant, ohne ihm den Anlass zu nennen; am folgenden Tag begleiteten wir einen großen Teil des AOK nach Kislowodsk, um den Urasa Bairam zu feiern, das Ende des Fastenmonats Ramadan. Es wurde ein Triumphfest. In einem großen Lager vor der Stadt leitete der Imam der Karatschaier, ein runzliger Alter mit einer festen, klaren Stimme, ein langes Gebet; auf die nahen Hügel ausgerichtet, senkten und hoben sich im Rhythmus seines Singsangs Hunderte von Mützen, Kappen und Pelzhüten in dichten Reihen. Danach riefen Köstring und Bräutigam auf einem mit deutschen und moslemischen Flaggen geschmückten Podium, die Stimmen durch einen Lautsprecher der PK verstärkt, den Autonomen Karatschaiischen Bezirk aus. Jeder Satz wurde durch Beifallskundgebungen und Gewehrschüsse unterstrichen. Voss, die Hände hinter dem Rücken, übersetzte Bräutigams Rede; Köstring las seine direkt auf Russisch vor und wurde anschließend von begeisterten jungen Leuten mehrfach in die Luft geworfen. Bräutigam hatte den Kadi Bairamukow, einen antisowjetischen Bauern, als neuen Bezirkschef vorgestellt: Der Alte, mit einer Tscherkesska undeinem Beschmet bekleidet, eine gewaltige weiße Lammfell-Papacha auf dem Kopf, dankte Deutschland feierlich dafür, die Karatschaier vom russischen Joch befreit zu haben. Ein kleines Kind führte einen herrlichen kabardinischen Schimmel, dessen Rücken von einem dagestanischen Sumak in schillernden Farben bedeckt war, vor das Podium. Das Pferd schnaubte, und der Alte erklärte, dass es ein Geschenk des karatschaiischen Volkes an das

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