Die Wohlgesinnten
glauben, setzen Sie sich bitte mit dem Gruppenführer in Verbindung, er wird es Ihnen bestätigen.« Er blätterte weiter in den Papieren. »Was wollen Sie sehen?« – »Alles«, sagte ich mit liebenswürdigem Lächeln. Schließlich übergab er mich einem Untersturmführer. Es war das erste Mal, dass ich ein Konzentrationslager besichtigte, ich ließ miralleszeigen. Unter den Häftlingen waren die verschiedensten Nationalitäten vertreten: Russen, Polen natürlich und Juden, aber auch deutsche Politische und Kriminelle, Franzosen, Holländer, ich weiß nicht, was noch. Die Baracken, ehemalige Feldstallungen der Wehrmacht, die SS-Architekten umgebaut hatten, stanken, waren schwarz und überfüllt; die Häftlinge, größtenteils in Lumpen, waren dort zu dritt oder viert auf einer Pritsche zusammengepfercht, in mehreren Ebenen übereinander. Ich erörterte die sanitären und hygienischen Probleme mit dem Leitenden Lagerarzt. Er, immer mit dem Untersturmführer im Schlepptau, war es, der mir die Baracke »Bad und Desinfektion« zeigte, wo man auf der einen Seite die Neuankömmlinge in die Dusche schickte und auf der anderen die Arbeitsunfähigen ins Gas. »Bis zum Frühjahr war das ein Klacks «, erläuterte der Untersturmführer, »doch seit uns der Einsatz einen Teil seines Aufkommens schickt, sind wir überlastet.« Das Lager wusste nicht mehr, wohin mit den Leichen, und hatte für ein geplantes Krematorium fünf Einmuffelöfen bei der Berliner Spezialfirma Kori bestellt. »Sie macht Topf und Söhne aus Erfurt den Markt streitig«, fügte er hinzu. »In Auschwitz arbeiten sie nur mit Topf, aber uns erschienen die Konditionen von Kori günstiger.« Merkwürdigerweise fand die Vergasung nicht mit Hilfe von Kohlenmonoxid statt wie in den Kastenwagen, die wir in Russland verwendet hatten, oder, so hatte ich gelesen, wie in den festen Einrichtungen der »Aktion Reinhardt«; hier verwendete man Hydrozyansäure in Form von Tabletten, die das Gas bei Luftkontakt freisetzten. »Das ist weit wirksamer als Kohlenmonoxid«, versicherte mir der Arzt. »Es geht schnell, die Patienten leiden weniger, und es hat noch nie versagt.« – »Woher kommt die Substanz?« – »Das ist eigentlich ein industrielles Desinfektionsmittel, das zum Ausräuchern benutzt wird, gegen Läuse und andere Schädlinge. Offenbar hat man in Auschwitz den Einfall gehabt, es für dieSonderbehandlung zu testen. Es bewährt sich sehr gut.« Ich inspizierte auch die Küche und die Lebensmittellager; trotz der Versicherung der SS-Führer und sogar der Funktionshäftlinge, die die Suppe ausgaben, schienen mir die Rationen nicht ausreichend zu sein, ein Eindruck, der mir übrigens hinter vorgehaltener Hand vom Lagerarzt bestätigt wurde. Ich kehrte an mehreren Tagen hintereinander zurück, um die Akten des Arbeitseinsatzes zu studieren; jeder Häftling hatte seine eigene, nach der so genannten Arbeitsstatistik rubrizierte Karteikarte und war, sofern nicht krank, einem der Arbeitskommandos zugeteilt, die teils im Lager mit Instandhaltungsaufgaben, teils außerhalb des Lagers beschäftigt waren; die Häftlinge der wichtigsten Kommandos wohnten am Arbeitsplatz, im Falle der DAW in Lipowa. Auf dem Papier sah das alles durchaus vernünftig aus; doch die tatsächlichen Ausfälle waren beträchtlich; und Horns Kritik half mir zu erkennen, dass die meisten der beschäftigten Häftlinge, unterernährt, schmutzig und ständiger Prügel ausgesetzt, nicht zu einer regelmäßigen und produktiven Arbeit in der Lage waren.
Ich verbrachte mehrere Wochen in Lublin und besuchte auch die Umgegend. Ich fuhr nach Himmlerstadt, dem ehemaligen Zamo, einem exzentrischen Kleinod einer Renaissance, die von einem etwas größenwahnsinnigen polnischen Kanzler aus dem Boden gestampft worden war. Dank ihrer günstigen Lage an den Handelsstraßen zwischen Lublin und Lemberg sowie zwischen Krakau und Kiew hatte die Stadt eine Blütezeit erlebt. Sie war jetzt das Kerngebiet für den ehrgeizigsten Plan des RKF, der SS-Organisation, die seit 1939 damit beauftragt war, für die Rückführung der Volksdeutschen aus der UdSSR und dem Banat zu sorgen und die Germanisierung des Ostens zu betreiben: die Schaffung eines deutschen Vorlands in den Marken der slawischen Regionen, unmittelbar vor Ostgalizien und Wolynien. Darüber sprachich ausführlich mit Globocniks Vertreter, einem Beamten des RKF, der seine Diensträume im Rathaus hatte, einem hohen Barockturm am Rande des quadratischen Platzes, mit
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