Die Wohlgesinnten
Schlüsse, die ich aus den bislang durchgearbeiteten Dokumenten gezogen hatte. Als ich aufstand, um zu gehen, sagte er: »Ich glaube, der Reichsführer ist zufrieden mit dem Gang der Ereignisse. Machen Sie weiter so.«
Nach dieser Unterhaltung ging ich ins Amt zurück. Es goss in Strömen, in dem Wolkenbruch, der die kahlen Äste peitschte, konnte ich kaum die Bäume des Tiergartens erkennen. Gegen 17 Uhr schickte ich Fräulein Praxa nach Hause; Walser und Obersturmführer Elias, ein weiterer von Brandt entsandter Fachmann, gingen gegen 18 Uhr mit Isenbeck. Eine Stunde später suchte ich Asbach auf, der noch immer arbeitete: »Kommen Sie mit, Untersturmführer? Ich lade Sie zu einem Glas ein.« Er blickte auf die Uhr: »Glauben Sie nicht, dass sie wiederkommen? Es ist bald ihre Zeit.« Ich sah zum Fenster hinaus: Es war dunkel, und es regnete noch ein wenig. »Glauben Sie? Bei diesem Wetter?« Doch in der Eingangshalle hielt uns der Pförtner an: »Luftgefahr 15, meine Herren.« Es wurde ein schwerer Angriff erwartet. Offenbar war ein Bombergeschwader im Anflug erkannt worden. Ich wandte mich an Asbach und sagte vergnügt: »Dann haben Sie also Recht gehabt. Was machen wir? Wagen wir uns nach draußen, oder warten wir hier?« Asbach sah besorgt aus: »Wissen Sie, meine Frau …« – »Ich glaube nicht, dass Sienoch Zeit haben, nach Hause zu fahren. Ich hätte Ihnen gern Piontek gegeben, aber er ist schon fort.« Ich überlegte. »Am besten, wir warten hier, bis es vorbei ist, Sie können hinterher heimfahren. Ihre Frau wird schon einen Luftschutzraum aufsuchen, keine Sorge.« Er zögerte: »Wenn Sie erlauben, Sturmbannführer, werde ich sie anrufen. Sie ist in anderen Umständen, ich habe Angst, dass sie sich Sorgen macht.« – »In Ordnung. Ich warte auf Sie.« Ich trat auf die Vortreppe hinaus und zündete mir eine Zigarette an. Die Sirenen begannen zu heulen, und die Passanten auf dem Königsplatz beschleunigten ihre Schritte auf der Suche nach einem Luftschutzraum. Ich war nicht beunruhigt: Dieser Anbau des Ministeriums verfügte über einen ausgezeichneten Luftschutzbunker. Ich rauchte meine Zigarette zu Ende, als die Flak zu hämmern begann, und ging in die Halle zurück. Asbach kam die Treppe heruntergestürzt: »Alles in Ordnung. Sie geht zu ihrer Mutter. Das ist gleich nebenan.« – »Haben Sie die Fenster geöffnet?«, fragte ich ihn. Wir stiegen in den Luftschutzraum hinunter, einen Betonklotz, sehr stabil und hell, mit Stühlen, Feldbetten und großen wassergefüllten Fässern. Es waren nicht viele da: Die meisten Beamten gingen wegen der Schlangen vor den Läden und der Luftangriffe früh nach Hause. In der Ferne begann es zu dröhnen. Dann hörte ich in Abständen Detonationen, immer lauter: von Mal zu Mal näher, wie die gewaltigen Schritte eines Riesen. Bei jedem Einschlag stieg der Luftdruck und drückte schmerzhaft auf das Trommelfell. Ein ungeheures Getöse brach ganz in der Nähe los, ich spürte, wie die Mauern des Bunkers erzitterten. Das Licht flackerte, dann erlosch es plötzlich und tauchte den Luftschutzraum in absolute Finsternis. Ein Mädchen schrie entsetzt auf. Jemand schaltete eine Taschenlampe ein, einige andere rissen Streichhölzer an. »Gibt es kein Notstromaggregat?«, fragte eine andere Stimme, wurde aber von einer ohrenbetäubenden Detonation unterbrochen; Mörtelstückefielen von der Decke, Leute schrien. Ich roch Rauch, beißend stieg mir der Sprengstoffgeruch in die Nase: Das Gebäude musste einen Treffer erhalten haben. Die Explosionen entfernten sich; durch mein Ohrensausen hindurch hörte ich das leise Dröhnen der Geschwader. Eine Frau weinte; eine Männerstimme fluchte knurrend; im Licht meines Feuerzeugs ging ich zur Panzertür. Zusammen mit dem Pförtner versuchte ich, sie zu öffnen: Sie war blockiert, offenbar war die Treppe durch Trümmer versperrt. Zu dritt warfen wir uns mit der Schulter dagegen und schafften es, sie so weit zu öffnen, dass wir uns hindurchquetschen konnten. Ziegelsteine türmten sich auf der Treppe; von einem Beamten gefolgt, kletterte ich bis zum Erdgeschoss hinauf: Die große Eingangstür war aus den Angeln gerissen und in die Eingangshalle geschleudert worden; Flammen leckten an der Täfelung und der Pförtnerloge. Im Laufschritt hastete ich die Treppe hoch, wand mich durch einen mit herausgerissenen Türen und Fensterrahmen zugeschütteten Flur und stieg noch eine Treppe zu meinen Büros hinauf: Ich wollte versuchen, wenigstens die
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