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Die Wohlgesinnten

Die Wohlgesinnten

Titel: Die Wohlgesinnten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Littell
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aber nein: Die Tiere mussten erst abhängen, bis sie den richtigen Hautgout bekamen; Leland verpflichtete sich, sie den Schützen schicken zu lassen, wenn sie so weit wären. Das Abendessen war trotzdem abwechslungsreich und schmackhaft, Damwild mit Preiselbeersoße, Kartoffeln, in Gänseschmalz gebraten, Spargel und Kürbis, dazu Burgunder eines hervorragenden Jahrgangs. Ich saß Speer gegenüber und neben Leland, Mandelbrod am Kopfende. Herr Leland zeigte sich, zum erstenMal, seit ich ihn kannte, überaus gesprächig: Ein Glas nach dem anderen leerend, sprach er von seiner Vergangenheit als Kolonialbeamter in Südwestafrika. Er hatte Rhodes gekannt, für den er grenzenlose Bewunderung bekundete, ohne sich allerdings näher zu seinem eigenen Wechsel in die deutschen Kolonien zu äußern. »Rhodes hat einmal gesagt: Der Kolonisator kann nichts Unrechtes tun, was er tut, wird gerecht. Es ist seine Pflicht, das zu tun, was er will. Dieses Prinzip, konsequent angewendet, hat Europa seine Kolonien gebracht, die Herrschaft über minderwertige Völker. Erst als die korrupten Demokratien sich einmischen wollten, um ihr Gewissen zu beschwichtigen und ihrer heuchlerischen Moral zu genügen, hat der Niedergang begonnen. Sie werden sehen: Egal, wie der Krieg ausgeht, Frankreich und Großbritannien werden ihre Kolonien verlieren. Ihr Griff hat sich gelockert, sie können die Hand nicht mehr zur Faust ballen. Jetzt hat Deutschland die Fackel übernommen. 1907 habe ich mit dem General von Trotha zusammengearbeitet. Die Herero und Nama haben sich erhoben, aber von Trotha war ein Mann, der Rhodes’ Ideen in ihrer ganzen Tragweite begriffen hatte. Er hat es offen ausgesprochen: Ich vernichte die aufständischen Stämme mit Strömen von Blut und Strömen von Geld. Nur aus dieser Aussaat kann etwas Neues entstehen. Doch da begann Deutschland bereits die Kraft auszugehen, und von Trotha wurde abberufen. Ich habe das immer als einen Vorboten von 1918 empfunden. Glücklicherweise hat sich der Lauf der Dinge umgekehrt. Heute herrscht Deutschland unbestritten über die Welt. Unsere Jugend fürchtet sich vor gar nichts. Unsere Expansion ist ein unaufhaltsamer Prozess.« – »Immerhin«, fiel ihm General von Wrede, der kurz vor Mandelbrod gekommen war, ins Wort, »die Russen …« Leland klopfte mit der Fingerspitze auf den Tisch: »Genau, die Russen. Sie sind heute das einzige Volk, das uns ebenbürtig ist. Daher ist unser Krieg mit ihnen so schrecklich, sounerbittlich. Nur eines der beiden Völker wird überleben. Die anderen zählen nicht. Können Sie sich vorstellen, dass die Amis mit ihrem Cornedbeef und ihrem Kaugummi auch nur ein Zehntel der russischen Verluste ertragen würden? Ein Hundertstel? Sie würden ihre Koffer packen, nach Hause zurückkehren und sich keinen Deut mehr um Europa scheren. Nein, wir müssen dem Westen vor Augen führen, dass ein bolschewistischer Sieg nicht in seinem Interesse ist, dass Stalin die Hälfte Europas – wenn nicht das ganze – als Kriegsbeute einsacken wird. Wenn uns die Angelsachsen helfen würden, mit den Russen fertig zu werden, könnten wir ihnen ein paar Krümel überlassen oder sie auch in aller Ruhe vernichten, wenn wir wieder zu Kräften gekommen sind. Bedenken Sie nur, was unser Parteigenosse Speer in weniger als zwei Jahren erreicht hat! Und das ist erst der Anfang. Stellen Sie sich vor, wenn uns die Hände nicht mehr gebunden wären, wenn uns alle Wirtschaftsfaktoren des Ostens zur Verfügung ständen. Dann könnte die Welt so umgestaltet werden, wie sie sein müsste.«
    Nach dem Abendessen spielte ich Schach mit Hettlage, Speers Mitarbeiter. Heide schaute uns schweigend zu; Hettlage gewann mühelos. Ich trank einen letzten Kognak und plauderte mit Heide. Die Gäste gingen nach oben, um sich schlafen zu legen. Schließlich stand sie auf und sagte, so unverblümt wie ihre Kolleginnen, zu mir: »Ich muss jetzt Dr. Mandelbrod helfen. Wenn Sie nicht allein bleiben wollen, mein Zimmer befindet sich zwei Türen links von dem Ihren. Kommen Sie doch auf ein Glas vorbei.« – »Danke«, erwiderte ich, »vielleicht.« Nachdenklich ging ich in mein Zimmer hoch, zog mich aus und legte mich ins Bett. Die Reste des Feuers glommen im Kamin. In der Dunkelheit liegend, sagte ich mir: Warum eigentlich nicht? Sie ist eine schöne Frau mit einem prachtvollen Körper. Was hinderte mich, die Gelegenheit zu nutzen? Keine Verpflichtungen, keine Beziehungen,nur ein einfacher, unkomplizierter Vorschlag. Selbst

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