Die Wohlgesinnten
Französisch: »In Ordnung. Wir sehen uns sowieso bald wieder: Wenn alles nach Plan geht, wird euer Kommandostab mit uns in Shitomir stationiert.« – »Ausgezeichnet.« Auf Deutsch fuhr er fort: »Mach’s gut! Halt die Ohren steif.« Ich nickteOleg zu und verließ das Café. Unsere Truppen waren noch weit von Shitomir entfernt, aber Thomas schien sehr zuversichtlich, offenbar hatte er Informationen aus erster Hand. Während der Rückfahrt genoss ich wieder die Lieblichkeit der galizischen Landschaft; im Staub der Lkw-Kolonnen und des Geräts, die auf dem Weg an die Front waren, kamen wir nur langsam voran; vereinzelt durchbrach die Sonne die weißen Wolken, die in langen Reihen am Himmel aufmarschierten, in einer riesigen Schattenkuppel, heiter und still.
Nachmittags traf ich in Luzk ein. Laut von Radetzky wurde Blobel nicht so bald zurückerwartet; Häfner teilte uns vertraulich mit, dass man den Standartenführer schließlich in die geschlossene Abteilung eines Wehrmachtslazaretts eingewiesen habe. Die Vergeltungsaktion war reibungslos über die Bühne gegangen, doch schien niemand besondere Lust zu haben, darüber zu sprechen: »Seien Sie froh, dass Sie nicht hier waren«, ließ mich Zorn wissen. Am 6. Juli verlegte das Sonderkommando, immer der vorrückenden 6. Armee dicht auf den Fersen, seinen Sitz nach Rowno, kurz darauf nach Swjagel, das die Sowjets Nowograd-Wolynski nennen. Jedes Mal wurden Teilkommandos abkommandiert, die den Befehl hatten, potenzielle Gegner aufzuspüren, festzunehmen und zu exekutieren. Größtenteils waren es zwar Juden, aber wir erschossen auch Kommissare oder Funktionäre der bolschewistischen Partei, wenn wir sie erwischten, Diebe, Plünderer, Bauern, die ihr Getreide versteckten, auch Zigeuner – Beck war sicherlich zufrieden. Radetzky hatte uns erläutert, dass wir in den Kategorien objektiver Bedrohung denken müssten: Da es faktisch unmöglich sei, jeden einzelnen Schuldigen zu entlarven, müsse man anhand soziopolitischer Kriterienbestimmen, wer uns am ehesten schaden könnte, und entsprechend handeln. In Lemberg war es General Rentz, dem neuen Ortskommandanten, nach und nach gelungen, die Ordnung wiederherzustellen und die Ausschreitungen einzudämmen; trotzdem hatte das Einsatzkommando 6, später das Kommando 5, das jenes ersetzt hatte, auch weiterhin Hunderte von Menschen vor der Stadt exekutiert. Allmählich bekamen wir auch Ärger mit den Ukrainern. Am 9. Juni fand der kurze Flirt mit der Unabhängigkeit ein jähes Ende: Die Sipo verhaftete Bandera und Stezko, schickte sie unter Bewachung nach Krakau und entwaffnete ihre Männer. Doch andernorts lehnte sich die OUN-B auf; in Drohobytsch eröffneten sie das Feuer auf unsere Truppen, mehrere Deutsche wurden getötet. Von da an begann man Banderas Parteigänger ebenfalls als objektive Bedrohung zu behandeln; begeistert halfen uns die Melnykisten, sie zu identifizieren, und übernahmen die lokalen Verwaltungen. Am 11. Juli tauschte unser Gruppenstab, dem wir untergeordnet waren, die Bezeichnung mit jenem Stab, welcher der Heeresgruppe Mitte zugeordnet war: Fortan waren wir die »Einsatzgruppe C«; am selben Tag fuhr eines unserer Vorkommandos mit den Panzern der 6. Armee in Shitomir ein. Einige Tage darauf wurde ich zu dessen Verstärkung abkommandiert, bis der restliche Führungsstab zu uns aufgeschlossen hätte.
Ab Swjagel veränderte sich die Landschaft vollständig. Jetzt fuhren wir durch die ukrainische Ebene, eine endlos wogende Prärie, die landwirtschaftlich intensiv genutzt wurde. Auf den Getreidefeldern war der Klatschmohn verblüht, doch Roggen und Gerste reiften gerade, und kilometerweit richteten Sonnenblumen ihre goldenen Blütenkränze himmelwärts und folgten dem Lauf der Sonne. Hier und da, wie zufällighingeworfen, unterbrach eine langgezogene Reihe von Isbas im Schatten von Robinien oder Eichen-, Ahorn- und Eschenwäldchen die eintönige Perspektive. Die Feldwege waren mit Linden gesäumt, die Flüsse mit Espen und Weiden; in den Städten hatte man entlang den Boulevards Kastanien gepflanzt. Unsere Karten erwiesen sich als vollkommen unbrauchbar: Die eingezeichneten Straßen existierten nicht oder endeten im Nirgendwo; umgekehrt entdeckten unsere Patrouillen dort, wo sich der Karte zufolge leere Steppe befand, Kolchose mit riesigen Baumwoll-, Melonen- und Rübenfeldern; aus winzigen Gemeinden waren hochentwickelte Industriezentren geworden. Doch während Galizien uns fast unversehrt in die Hände
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