Die Wohlgesinnten
hysterisch ihre Kleider und wälzten sich auf dem Boden; Juden, von Feldgendarmen bewacht, rutschten auf Knien und schrubbten den Gehsteig; von Zeit zu Zeit versetzte ihnen jemand aus der aufgebrachten Menge einen Fußtritt, ein Feldwebel brüllte mit hochrotem Kopf: »Juden kaputt!«, woraufhin ihm die Ukrainer bewundernd Beifall spendeten. Am Gefängnistor musste ich einer Kolonne Juden Platz machen, die, im Hemd oder mit nacktem Oberkörper und größtenteils blutüberströmt, unter Aufsicht deutscher Soldaten verwesende Leichen herausschleppten und auf Karren luden. Schwarz gekleidete alte Frauen warfen sich laut aufschreiend auf die Leichname, um sich anschließend auf die Juden zu stürzen und sie zu zerkratzen, bis ein Soldat versuchte, sie zurückzustoßen.Währenddessen hatte ich Beck aus den Augen verloren, ich betrat den Gefängnishof, wo mich das gleiche Schauspiel erwartete: Zu Tode geängstigte Juden sortierten Leichen, während andere unter den Flüchen der Soldaten das Pflaster schrubbten; diese sprangen von Zeit zu Zeit vor und schlugen die Juden mit der bloßen Faust oder dem Gewehrkolben, die Juden heulten auf, brachen zusammen, mühten sich, wieder hochzukommen und die Arbeit fortzusetzen, andere Soldaten fotografierten die Szene, wieder andere krakeelten fröhlich Beleidigungen oder Anfeuerungsrufe, gelegentlich auch kam einer der Juden nicht mehr hoch, dann bearbeiteten ihn mehrere Uniformierte mit ihren Stiefeln, ein oder zwei Juden mussten die Leiche an den Füßen zur Seite ziehen, andere wurden wieder zum Schrubben eingesetzt. Endlich stieß ich auf einen SS-Mann: »Wissen Sie, wo ich Brigadeführer Rasch finde?« – »Ich glaube, er ist im Gefängnisbüro, dort entlang, ich habe ihn eben die Treppe hochgehen sehen.« Obwohl auf dem langen Korridor ein ständiges Kommen und Gehen von Soldaten herrschte, war es ruhiger hier, allerdings waren die schmutzig grünen glänzenden Wände mit mehr oder weniger frischen Blutflecken bespritzt, darauf klebten Fetzen von Hirnmasse, mit Haaren und Knochensplittern vermengt; auf dem Boden, wo man die Leichen entlanggezogen hatte, waren breite Spuren geblieben, in die man hineinplatschte. Am Ende des Korridors kam Rasch mit einem großen pausbäckigen Oberführer und mehreren anderen Offizieren der Einsatzgruppe die Treppe herunter. Ich grüßte. »Ah, Sie sind es. Sehr schön. Ich habe einen Bericht von Radetzky erhalten; bitten Sie ihn herzukommen, sobald es ihm möglich ist. Und Sie machen Obergruppenführer Jeckeln persönlich Meldung über die Aktion hier. Heben Sie hervor, dass die Initiative von den Nationalisten und dem Volk ausgegangen ist. Das NKWD und die Juden haben in Lemberg dreitausend Menschen ermordet.Jetzt rächt sich das Volk, das ist normal. Wir haben das AOK gebeten, ihnen ein paar Tage Zeit zu lassen.« – »Zu Befehl, Brigadeführer.« Ich trat hinter ihnen ins Freie. Rasch und der Oberführer diskutierten lebhaft. Im Hof wurde der Leichengestank deutlich von dem schweren, widerlichen Geruch frischen Blutes überlagert. Beim Hinausgehen begegnete ich zwei Juden, die unter Bewachung von der Straße zurückkehrten; einer von ihnen, ein sehr junger Mann, blutete heftig, gab aber keinen Laut von sich. Beck wartete am Wagen, und wir kehrten zum Gruppenstab zurück. Ich befahl Höfler, den Opel fertig zu machen und Popp zu suchen, dann machte ich mich auf den Weg, die Depeschen und den Brief bei Leiter III abzuholen. Ich erkundigte mich auch nach Thomas’ Verbleib, ich wollte ihm vor der Abfahrt guten Tag sagen. »Sie finden ihn in der Nähe des Boulevards«, sagte man mir. »Schauen Sie ins Café Metropolis , in der Sykstuska.« Unten standen Popp und Höfler schon abfahrbereit. »Kann’s losgehen, Obersturmführer?« – »Ja, aber wir halten unterwegs noch mal. Nehmen Sie den Boulevard.« Das Metropolis war rasch entdeckt. Drinnen standen die Männer in Grüppchen beisammen und diskutierten lärmend, einige, schon betrunken, grölten; an der Theke tranken durchreisende Frontoffiziere Bier und erörterten die Ereignisse. Ich traf Thomas weiter hinten in Gesellschaft eines jungen blonden Mannes mit aufgeschwemmtem, missmutigem Gesicht und in Zivil an. Sie tranken Kaffee. »Grüß dich, Max! Darf ich dich mit Oleg bekannt machen. Er ist sehr gebildet, sehr intelligent.« Oleg erhob sich und schüttelte mir beflissen die Hand; er schien eher ein ziemlicher Trottel zu sein. »Hör mal, ich fahr jetzt zurück.« Thomas antwortete mir auf
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