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Die Wohlgesinnten

Die Wohlgesinnten

Titel: Die Wohlgesinnten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Littell
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»Sieh da«, sagte ich spöttisch,»Laurel und Hardy. Was führt Sie denn her?« Dieses Mal grüßten sie nicht. Weser antwortete: »Wir wollten Ihnen Guten Abend sagen, Obersturmbannführer. Aber Ihre Sekretärin hat uns keinen Termin gegeben.« Ich überging die Fortlassung des »Herr«. »Womit sie vollkommen Recht getan hat«, sagte ich von oben herab. »Ich denke, wir haben uns nichts mehr zu sagen.« – »Ach, wissen Sie, Obersturmbannführer«, meinte Clemens mürrisch, »da sind wir ganz anderer Meinung.« – »In diesem Falle schlage ich Ihnen vor, meine Herren, dass Sie sich die Befugnis von SS-Richter Baumann holen.« Weser nickte: »Wir haben schon verstanden, Obersturmbannführer, dass Standartenführer Baumann es ablehnen würde. Sie sind sozusagen unantastbar, das haben wir begriffen.« – »Trotzdem«, sagte Clemens, und die Atemwolke hüllte sein grobes, stumpfnasiges Gesicht ein, »ist das nicht in Ordnung, Obersturmbannführer, das sehen Sie doch ein. Es muss doch trotzdem Gerechtigkeit geben.« – »Ich bin ganz Ihrer Meinung. Aber Ihre unsinnigen Verleumdungen haben nichts mit Gerechtigkeit zu tun.« – »Verleumdungen, Obersturmbannführer?«, erwiderte Weser und zog die Augenbrauen hoch. »Verleumdungen? Sind Sie sich sicher? Ich denke, wenn Standartenführer Baumann die Akte wirklich gelesen hätte, wäre er nicht ganz so sicher wie Sie.« – »Genau«, sagte Clemens. »Beispielsweise hätte er sich fragen können, was es mit der Kleidung auf sich hat.« – »Der Kleidung? Was für eine Kleidung meinen Sie?« Weser antwortete an seiner Stelle: »Die Kleidungsstücke, die die französische Polizei in der Wanne des Badezimmers im ersten Stock gefunden hat. Zivilkleidung …« Er wandte sich an Clemens: »Notizbuch.« Clemens zog das Notizbuch aus der Innentasche und reichte es ihm. Weser blätterte es durch: »Ah ja, hier ist es: des vêtements maculés de sang . ›Maculés‹. Das war das Wort, das ich gesucht hatte.« – »Soll heißen, befleckt, blutbefleckt«, stellte Clemens richtig. »Der Obersturmbannführerweiß, was das heißt, Clemens«, wies ihn Weser zurecht. »Der Obersturmbannführer hat studiert.« Er vertiefte sich wieder in das Notizbuch. »Zivilkleidung also, befleckt, in die Wanne geworfen. Blut auch auf den Fliesen, den Wänden, im Waschbecken, auf den Handtüchern. Unten, im Salon, im Eingangsbereich, überall sind Fußspuren zu erkennen, wegen des Bluts. Es waren Abdrücke von Straßenschuhen, die Schuhe wurden bei der Kleidung gefunden, aber es waren auch Abdrücke von Stiefeln vorhanden. Großen Stiefeln.« – »Na und«, sagte ich achselzuckend, »dann hat sich der Mörder eben umgezogen, bevor er gegangen ist, um keine Aufmerksamkeit zu erregen.« – »Siehst du, Clemens, wie ich dir gesagt habe, der Obersturmbannführer ist ein intelligenter Mann. Du solltest auf mich hören.« Er richtete seinen Blick unter dem Hutrand auf mich. »Diese Kleidungsstücke trugen alle deutsche Etiketten, Obersturmbannführer.« Wieder blätterte er in seinem Notizbuch: » Ein zweiteiliger brauner Herrenanzug, Wolle, gute Qualität, Etikett eines deutschen Schneiders. Ein weißes Hemd, deutscher Hersteller. Eine Seidenkrawatte, deutscher Hersteller, ein Paar Baumwollsocken, deutscher Hersteller, eine Unterhose, deutscher Hersteller. Ein Paar Straßenschuhe, Größe 42, deutscher Hersteller. « Er blickte von seinem Notizbuch auf: »Was haben Sie eigentlich für eine Schuhgröße, Obersturmbannführer? Wenn Sie mir die Frage gestatten. Und was für eine Kleidergröße?« Ich lächelte: »Ich weiß nicht, meine Herren, aus welchem Loch Sie hervorgekrochen sind, aber ich rate Ihnen, ganz schnell wieder dahin zurückzukehren. Ungeziefer wird in Deutschland nicht mehr geduldet.« Clemens runzelte die Stirn: »Sag mal, Weser, beleidigt er uns?« – »Ja, er beleidigt uns. Er droht uns sogar. Vielleicht hast du doch Recht. Vielleicht ist er doch nicht so intelligent, wie er aussieht, der Obersturmbannführer.« Weser tippte mit einem Finger an seine Hutkrempe: »Guten Abend, Obersturmbannführer. Auf bald, wer weiß.«
    Ich folgte ihnen mit den Blicken, wie sie sich im Schneegestöber Richtung Zimmerstraße entfernten. Thomas, mit dem ich verabredet war, hatte sich zu mir gesellt. »Wer sind die denn?«, fragte er und wies mit dem Kopf in Richtung der beiden. »Nervensägen. Verrückte. Kannst du sie nicht in ein Konzentrationslager stecken, damit sie Ruhe geben?« Er zuckte die

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