Die Wohlgesinnten
ich dabei nichts von dem Gefühl wieder, das mich als Jugendlichen bei ihrer Lektüre gepackt hatte, wenn ich, auf der Toilette eingeschlossen oder in meinem Bett vergraben, für Stunden die Außenwelt vergaß, um mich lustvoll in den Mäandern dieses barbarischen Universums zu verlieren,mit seiner trüben Erotik, seinen Kriegern und Prinzessinnen, die nur mit Waffen und Juwelen bekleidet waren, und seinem wunderlichen Zoo von Monstern und Maschinen. Stattdessen machte ich einige überraschende Entdeckungen über den verblendeten Jungen, der ich damals gewesen war: Einige Passagen aus diesen Science-Fiction-Romanen offenbarten mir diesen amerikanischen Prosaschriftsteller tatsächlich als einen unbekannten Ahnherren völkischen Gedankenguts. Seine Ideen veranlassten mich in meiner Untätigkeit zum Weiterdenken; in Erinnerung an Brandts Ratschläge, denen zu folgen ich bis dahin zu beschäftigt gewesen war, ließ ich mir eine Schreibmaschine kommen und setzte ein kurzes Memorandum für den Reichsführer auf; darin schilderte ich Burroughs als Vorbild für tiefgreifende soziale Reformen, die die SS nach dem Kriege ins Auge fassen muß . Als Beispiel für die Steigerung der Geburtenrate in der Nachkriegszeit und für Maßnahmen, um die Männer zu einer frühen Heirat zu zwingen, dienten mir die roten Marsianer, die ihre Zwangsarbeiter nicht nur unter Kriminellen und Kriegsgefangenen rekrutierten, sondern auch unter Junggesellen, die zu arm waren, um die von jeder rotmarsianischen Regierung verhängte hohe Ledigensteuer aufzubringen; und ich widmete dieser Ledigensteuer einen ganzen Absatz, die, wäre sie jemals erhoben worden, meine eigenen Finanzen stark belastet hätte. Doch die radikalsten Vorschläge behielt ich der SS-Elite vor, die sich die grünen Marsianer zum Beispiel nehmen sollte, diese drei Meter großen Ungeheuer mit vier Armen und Schutzvorrichtungen: Alles Eigentum ist bei den grünen Marsianern Gemeinbesitz, ausgenommen die persönlichen Waffen, den Schmuck sowie die Seidenstoffe und Pelze für die Schlafstellen der einzelnen Mitglieder … Die Frauen und Kinder im Gefolge eines Mannes sind wie eine militärische Einheit, für die er in jeder Hinsicht verantwortlich ist: Ausbildung, Disziplin, Verpflegung … Die Frauen sindkeineswegs Ehefrauen … Ihre Begattung ist einzig und allein eine Frage des Gemeinschaftsinteresses und wird ohne Rücksicht auf die natürliche Selektion geregelt. Der Ältestenrat jeder Gemeinschaft überwacht diesen Vorgang ebenso streng, wie der Besitzer eines Rennstalls in Kentucky die wissenschaftliche Züchtung seiner Pferde kontrolliert, damit die besten Eigenschaften der Rasse vererbt werden. Im Sinne dieses Entwurfs schlug ich eine allmähliche Reform des Lebensborns vor. In Wahrheit grub ich damit mein eigenes Grab, und ein Teil von mir lachte, während ich das schrieb, aber es schien mir andererseits logisch aus unserer Weltanschauung hervorzugehen; außerdem wusste ich, dass es dem Reichsführer gefallen würde; diese Burroughs-Zitate erinnerten mich vage an die prophetische Utopie, die er 1941 in Kiew vor uns umrissen hatte. Und tatsächlich, zehn Tage nach Entsendung meines Memorandums erhielt ich eine Antwort, eigenhändig von ihm unterschrieben (meistens waren seine Anweisungen von Brandt oder sogar Grothmann unterzeichnet):
Mein lieber Dr. Aue!
Mit lebhaftem Interesse habe ich Ihre Darlegungen gelesen.
Ich höre mit großer Freude, daß es Ihnen wieder besser geht und daß Sie die Zeit Ihrer Rekonvaleszenz mit so nützlichen Untersuchungen verbringen; ich wußte ja gar nicht, daß Sie sich für die lebenswichtigen Zukunftsfragen unserer Rasse interessieren. Ich frage mich allerdings, ob Deutschland, selbst nach diesem Krieg, bereit sein wird, so tiefsinnige und notwendige Gedanken zu akzeptieren.
Wir werden sicherlich noch lange an der Gesinnung unseres Volkes arbeiten müssen.
Wie dem auch sei, es wird mir ein Vergnügen sein, mitIhnen nach Ihrer Genesung eingehender über diese Pläne und diesen visionären Autor zu diskutieren.
Heil Hitler!
Ihr
Heinrich Himmler
Geschmeichelt erwartete ich Thomas’ nächsten Besuch, um ihm diesen Brief und mein Memorandum zu zeigen; zu meiner Überraschung reagierte er zornig darauf: »Glaubst du wirklich, es sei der Augenblick für solche Kindereien?« Er schien jeden Sinn für Humor verloren zu haben; als er mir von den letzten Verhaftungen berichtete, verstand ich, warum. Selbst in meiner unmittelbaren Umgebung gab
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