Die Wohlgesinnten
Wenn ich die Nase an die parfümierten Seifen hielt oder die Fläschchen mit Eau de Toilette öffnete, dann roch ich wunderbare, ganz weibliche Düfte, aber es waren nicht ihre, selbst ihr Bettzeug hatte keinerlei Geruch, ich hatte das Badezimmer verlassen und die Decke umgewendet, schnupperte aber vergebens, Käthe hatte sie frisch bezogen, weiß, sauber, steif, selbst ihre Schlüpfer rochen nach nichts, die wenigen mit schwarzer Spitze, die sich in ihren Schubladen fanden, waren gründlich gewaschen, und erst als ich den Kopf in den Kleidern des Schranks vergrub, bemerkte ich etwas, einen fernen, undefinierbaren Duft, der aber das Blut in meinen Schläfen pochen ließ. Am Abend machte ich bei Kerzenschein (der elektrische Strom war seit einigen Tagen abgestellt) zwei große Eimer Wasser auf dem Herd heiß, schleppte sie nach oben und goss sie in die Badewanne meiner Schwester. Das Wasser war kochend heiß, ichmusste mir Handschuhe anziehen, um die Henkel anfassen zu können; ich goss einige Kübel kaltes Wasser dazu, tauchte die Hand hinein, um die Temperatur zu überprüfen, und gab duftenden Schaum hinzu. Mittlerweile trank ich einen einheimischen Pflaumenbrand, den ich in einer dicken Korbflasche in der Küche entdeckt hatte, auch davon hatte ich ein Fläschchen voll mit nach oben genommen, dazu ein Glas und einen Aschenbecher, alles stellte ich auf einem kleinen Silbertablett quer über dem Bidet ab. Bevor ich in das Wasser eintauchte, blickte ich an meinem Körper hinunter, auf meine bleiche Haut, die im Schein des Leuchters am Fuße der Badewanne einen goldenen Schimmer annahm. Dieser Körper gefiel mir nicht besonders, und doch, wie sollte ich ihn nicht anbeten? Ich ließ mich ins Wasser gleiten und dachte an die cremefarbene Haut meiner Schwester, allein und nackt in einem gekachelten Badezimmer in der Schweiz, an die großen blauen Adern, die sich unter ihrer Haut wanden. In Zürich hatte ich, da ich ihren Körper seit unserer Kindheit nicht mehr nackt gesehen hatte, von plötzlicher Angst ergriffen, das Licht ausgemacht, aber ich konnte ihn mir in allen Einzelheiten vorstellen, die schweren Brüste, reif und fest, die kräftigen Hüften, den schönen runden Bauch, der sich in einem schwarzen, dicht gelockten Dreieck verlor, vielleicht durch eine dicke senkrechte Narbe versperrt, die vom Bauchnabel bis zum Schamhügel lief. Ich trank noch einen Schluck Obstler und überließ mich der Umarmung des heißen Wassers, den Kopf auf den Wannenrand in der Nähe des Kerzenhalters gelegt, sodass mein Kinn kaum über die dicke Schaumschicht ragte, so wie dort sonst das gelassene Gesicht meiner Schwester geschwommen haben musste, ihr langes Haar mit einer Silbernadel zu einem schweren Knoten hochgesteckt. Der Gedanke an diesen im Wasser ausgestreckten Körper, mit seinen leicht gespreizten Beinen, erinnerte mich an die Empfängnis des Rhesos. Seine Mutter, eine der Musen, ichweiß nicht mehr, welche, möglicherweise Kalliope, war noch Jungfrau und begab sich zu einem musikalischen Wettstreit, zu dem Thamyris herausgefordert hatte; um dorthin zu gelangen, musste sie den Strymon durchqueren, der seine kühlen Wirbel zwischen ihre Schenkel sandte, und so empfing sie. Bitter fragte ich mich, ob meine Schwester ihre Zwillinge auf die gleiche Weise im schaumigen Wasser ihres Bades empfangen hatte. Sie musste nach mir Männer gekannt haben, viele Männer; da sie mich verraten hatte, hoffte ich, dass es zahlreiche Männer waren, eine Armee, und dass sie ihren impotenten Mann jeden Tag betrog – mit allem, was vorbeikam. Ich stellte mir vor, sie würde sich einen Mann in dieses Badezimmer heraufholen, einen Knecht, den Gärtner, einen Milchmann, einen der Franzosen vom STO. Alle in der Gegend wussten Bescheid, aber niemand sagte etwas, aus Achtung vor von Üxküll. Und den kümmerte es nicht, der hockte wie eine Spinne in seinen Räumen, träumte von seiner abstrakten Musik, die ihn weit aus seinem zerbrochenen Körper entführte. Und auch meiner Schwester war es egal, was die Nachbarn dachten und sagten, solange sie weiterhin zu ihr heraufkamen. Sie bat sie, ihr das Wasser zu tragen, beim Ausziehen des Kleides zu helfen; und sie stellten sich ungeschickt an, bekamen einen roten Kopf, ihre dicken, von der Arbeit schwieligen Finger verhedderten sich, sie musste ihnen helfen. Die meisten bekamen schon beim Eintreten, gut erkennbar unter der Hose, einen Steifen; sie wussten nicht, was sie tun sollten, sie musste ihnen alles
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