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Die Wohlgesinnten

Die Wohlgesinnten

Titel: Die Wohlgesinnten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Littell
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nicht, mehr noch, ich dachte noch nicht einmal daran, für mich geschah das in einer anderen Zeit als der meinen, vom Raum ganz zu schweigen, und wenn diese Zeit mit meiner zusammentreffen sollte, nun gut, dann würde sich zeigen, welche weichen müsste. Doch trotz meiner Gleichgültigkeit quoll mir nackte Angst aus dem Körper, sickerte daraus hervor, wie die Tropfen geschmolzenen Schnees von einem Zweig fallen und auf den Zweigen und Nadeln darunter aufschlagen. Eine Angst, die mich stumm zerfraß. Wie ein Tier, das in seinem Fell wühlt, um die Ursache eines Schmerzes zu finden, wie ein Kind, das halsstarrig und wütend auf seine widerspenstigen Spielsachen ist, versuchte ich, meinem Kummer einen Namen zu geben. Ich trank, leerte mehrere Flaschen Wein oder Gläser Pflaumenschnaps, dann überließ ich meinen Körper dem Bett, einem kalten, feuchten Luftzug ausgesetzt. Traurig schaute ich mich im Spiegel an, betrachtete mein rotes, ermüdetes Geschlecht, wie es in den Schamhaaren baumelte, und sagte mir, dass es sich sehr verändert hatte und nichts mehr wie früher wäre, selbst wenn sie da gewesen wäre. Mit elf, zwölf Jahren waren unsere Geschlechtsorgane winzig, es waren eigentlich nur unsere Skelette, die dort im Licht der Abenddämmerung aneinanderstießen; jetzt aber diese ganze Schwere und Dicke des Fleisches, und auch die schrecklichen Verwundungen, die es erlitten hatte, bei ihr sicherlich der Schnitt in der Bauchwand und bei mir das lange Loch im Schädel, die in sich zusammengerollte Narbe undder Tunnel aus totem Fleisch. Eine Vagina, ein Rektum sind auch Löcher im Körper, doch das Fleisch darin ist lebendig, es bildet eine Oberfläche, für das Fleisch gibt es kein Loch. Und was ist überhaupt ein Loch, eine Leere? Es ist das, was im Kopf ist, wenn der Gedanke sich anmaßt, zu fliehen, sich vom Körper zu lösen, zu tun, als gäbe es den Körper nicht, als ließe sich ohne Körper denken, als wenn der abstrakteste Gedanke, beispielsweise der von dem moralischen Gesetz, das wie ein gestirnter Himmel über dem Kopf ist, nicht den Rhythmus der Atmung, das Pulsieren des Blutes in den Adern, das Knacken der Gelenke in sich aufnimmt. Und es stimmt, als ich mit Una spielte, in unserer Kindheit, und später, als ich lernte, mich zu bestimmten Zwecken der Körper jener Jungen zu bedienen, die mich begehrten, war ich jung, ich hatte diese besondere Schwere der Körper noch nicht verstanden, noch nicht begriffen, wozu die fleischliche Liebe verpflichtet, bestimmt und verdammt. Das Alter hatte für mich noch keine Bedeutung, noch nicht einmal in Zürich. Jetzt hatte ich mit einer ersten Annäherung begonnen, ich ahnte, was es bedeuten konnte, in einem Körper zu leben, sogar in einem Frauenkörper, mit schweren Brüsten, gezwungen, sich zum Urinieren aufs Klo zu setzen oder sich hinzuhocken, sich den Bauch mit einem Messer aufschneiden zu lassen, damit die Kinder herausgeholt werden können. Wie gern hätte ich diesen Körper dort vor mir auf dem Sofa zurechtgelegt, seine Schenkel geöffnet wie die Seiten eines Buchs, ein schmales weißes Spitzenband über der Schwellung des Geschlechts, oben der Ansatz der wulstigen Narbe und an den Seiten der Verlauf der Sehnen, Vertiefungen, die ich lustvoll mit meinen Lippen berührt hätte, wie gern hätte ich ihn fixiert, während zwei Finger das Gewebe langsam beiseiteschieben: »Sieh nur, sieh, wie weiß es ist. Denk nur, denk, wie schwarz es darunter ist.« Wie wahnsinnig verlangte es mich, dieses zwischen die beiden weißen Fleischtäler gelagerteGeschlecht zu sehen, schwellend, wie dargeboten auf dem Tablett ihrer Schenkel, und meine Zunge durch den fast trockenen Spalt zu führen, von unten nach oben, zart, ein einziges Mal. Ich wollte diesen schönen Körper auch pissen sehen, wie er auf der Kloschüssel nach vorn gebeugt war, die Ellenbogen auf die Knie gestützt, und hören, wie der Urin ins Wasser zischte; und ich wollte weiter, dass sich ihr Mund herunterbeugte, während sie ihr Geschäft beendete, meinen noch schlaffen Schwanz zwischen die Lippen nahm, dass ihre Nase an meinem Schamhaar roch, an der Vertiefung zwischen meinen Hoden und dem Schenkel, an der Linie meiner Lenden, sich an meinem rauen, sauren Geruch berauschte, diesem Geruch nach Mann, den ich so gut kannte. Ich verzehrte mich danach, diesen Körper auf das Bett zu legen, seine Beine zu spreizen, meine Nase in diese feuchte Vulva zu wühlen, wie eine Sau mit der Schnauze in einem Nest schwarzer

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