Die Wohlgesinnten
überließ es Hanika, sich um die Fenster und die Heizung zu kümmern, und ging hinunter, um Callsen aufzusuchen. »Die Stadt ist heftig umkämpft worden«, berichtete er, »die Schäden sind beträchtlich, Sie haben es sicherlich gesehen; es wird wohl schwierig sein, das Sonderkommando geschlossen unterzubringen.« Das Vorkommando hatte seine sicherheitspolizeiliche Arbeit dennoch aufgenommen und verhörte Verdächtige; außerdem hatte man auf Verlangen der 6. Armee zahlreiche Geiseln in Haft genommen, um Sabotageakten wie in Kiewvorzubeugen. Callsens politische Analyse lautete: »Die Bewohner der Stadt sind überwiegend Russen, daher werden sich hier die Probleme, die sich aus den Beziehungen zu den Ukrainern ergeben, in geringerem Maße stellen. Es gibt auch einen beträchtlichen jüdischen Bevölkerungsanteil, obwohl viele mit den Bolschewiken geflohen sind.« Blobel hatte ihm befohlen, die jüdischen Rädelsführer zusammenzurufen und sie erschießen zu lassen: »Um die anderen kümmern wir uns später.«
Hanika war es gelungen, die Fenster des Zimmers mit Pappe und Planen abzudichten, und als Beleuchtung hatte er einige Kerzen aufgetrieben; aber die Räume blieben bitterkalt. Ich saß auf dem Diwan, während er Tee kochte, und überließ mich lange einer Fantasie: Die Kälte vorschützend, forderte ich ihn auf, bei mir zu schlafen, damit wir uns gegenseitig wärmen konnten, dann, im Laufe der Nacht, ließ ich langsam die Hand unter seine Uniformbluse gleiten, küsste seine jungen Lippen, wühlte in seiner Hose und zog sein steifes Glied heraus. Leider war – auch die einvernehmliche – Unzucht mit einem Abhängigen ein Ding der Unmöglichkeit; aber es war schon lange her, dass ich an so etwas gedacht hatte, und ich machte keinen Versuch, mich dem verführerischen Reiz dieser Bilder zu widersetzen. Ich betrachtete seinen Nacken und fragte mich, ob er schon einmal mit einem Mädchen zusammen gewesen war. Er war wirklich sehr jung, doch im Internat hatten wir bereits in noch jüngeren Jahren, unter uns Jungen, alles gemacht, was man machen konnte, und die älteren Jungen, die damals in Hanikas Alter gewesen sein dürften, trieben im Nachbardorf Mädel auf, die sich mit Vergnügen flachlegen ließen. Meine Gedanken schweiften ab: Anstelle seines schmalen Nackens zeichneten sich viel kräftigere ab, die Nacken von Männern, die ich gekannt oder einfach nur angesehen hatte, und ich betrachtete diese Nacken mit den Augen einer Frau, begriff plötzlich miterschreckender Klarheit, dass die Männer nichts beherrschen, überhaupt keine Macht haben, dass sie alle Kinder oder sogar Spielzeug sind, dass sie lediglich für die Lust der Frauen da sind, eine unersättliche Lust, die umso selbstherrlicher ist, als die Männer glauben, die Fäden in der Hand zu halten, glauben, die Frauen zu beherrschen, während in Wirklichkeit die Frauen sie vereinnahmen, ihre Herrschaft untergraben und ihre Macht aufweichen, um sich am Ende weit mehr von den Männern zu holen, als diese zu geben bereit sind. Die Männer glauben aufrichtig, die Frauen wären verwundbar und sie, die Männer, müssten sich diese Verwundbarkeit entweder zunutze machen oder sie beschützen, während die Frauen, voll Verständnis und Liebe oder aber auch Verachtung, über die kindliche und unendliche Verwundbarkeit der Männer lachen, ihre Empfindlichkeit, diese Weichheit, die dem permanenten Kontrollverlust so verwandt ist, diesen ständig drohenden Zusammenbruch, diese Leere, die so starkem Fleisch eingeboren ist. Das ist vermutlich der Grund, warum Frauen so selten töten. Sie leiden weit mehr, haben aber immer das letzte Wort. Ich trank meinen Tee. Hanika hatte mein Bett mit allen Decken gemacht, die er hatte finden können; ich nahm zwei von ihnen und legte sie ihm auf den Diwan im ersten Zimmer, wo er nächtigte. Ich schloss die Tür und masturbierte hastig, dann schlief ich augenblicklich ein, Hände und Bauch mit Sperma befleckt.
Aus irgendeinem Grund, vielleicht, um in Reichenaus Nähe zu verweilen, der dort sein Stabsquartier hatte, beschloss Blobel, in Poltawa zu bleiben, daher warteten wir mehr als einen Monat auf den Kommandostab. Das Vorkommando blieb nicht untätig. Wie in Kiew machte ich mich daran, ein Netz von Informanten zu organisieren, was angesichts dersehr gemischten Bevölkerung besonders notwendig war. Die Stadt war voller Zuwanderer aus der ganzen UdSSR, unter denen sich gewiss auch zahlreiche Spione und Saboteure verbargen;
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