Die Wohltäter: Roman (German Edition)
die Schulen als auch eines der Büros und Møllers verschiedene Aufenthaltsorte waren von Beweisen bereinigt worden. Also kam es weder zu Festnahmen noch zu einer Anklage.«
»Wie konnten Sie Razzien überhaupt durchführen?« Ninos hatte aufgehört zu essen und begonnen, sich Notizen zu machen.
»Der Staatsanwalt durfte bei unseren Verhören der Aussteiger dabei sein, als sie von Wirtschaftsverbrechen und Betrügereien berichteten. Danach bekamen wir Haussuchungsbefehle für alle Orte, an denen sie sich aufgehalten hatten. Aber wie gesagt, jemand hatte sie vorgewarnt.«
»Und was passierte dann?«
»Ich wurde ausgelacht. Der Staatsanwalt trat noch dazu von dem Verfahren zurück und begründete seinen Rückzug damit, dass ich ein Idiot wäre, der die Untersuchung in ein totales Fiasko geführt hätte. Ich glaube, es gab eine undichte Stelle bei der Polizei, aber sie wurde nie aufgedeckt.«
»Aber hatten die Aussteiger denn gar keine Beweise?«
»Nichts, was man verwenden konnte. Uns fehlten verbindliche Dokumente – eine Buchhaltung, die beweisen konnte, dass das Geld in der Bewegung hin und her geschleust und gewaschen wurde und dann verschwand.«
»Dass das Geld also nicht bei den Wohltätigkeitsprojekten ankam.«
»Genau das«, bestätigte Kragerup und schüttelte mit düsterer Miene den Kopf.
Seither war nicht viel passiert. Die Ausbilder wurden toleriert und in Dänemark weitgehend in Ruhe gelassen. Sie betrieben eine scheinbar unabhängige Kleidersammlung, so wie in Schweden, und verschiedene Formen kommerzieller Landwirtschaft in Jütland. Sie boten Freiwilligenausbildungen für Jugendliche aus anderen Ländern an. Das hatte den Sinn, die Menschen von ihrer gewohnten Umgebung zu isolieren, berichtete Kragerup. So fiel es den Ausbildern viel leichter, sie zu kontrollieren und zu manipulieren. Ein Freiwilliger aus Dänemark wurde beispielsweise immer in ein anderes Land geschickt.
Eine ehrenamtliche dänische Organisation für Aussteiger aller Art führte die Ausbilder auf ihrer Liste von gesellschaftgefährdenden Sekten, aber auch dadurch änderte sich nicht viel. Die Schulen erhielten keine staatliche Unterstützung mehr, aber Kragerup hatte gehört, dass sie weiterhin Hilfsprojekte organisierten, die mit Steuergeldern finanziert wurden.
»Und es würde mich keineswegs wundern, wenn das stimmte.«
Kragerup zögerte ein wenig. »Wissen Sie, wie groß sie mittlerweile sind? Es geht ja nicht nur um Altkleidersammlungen. Ich beobachte sie nun schon eine ganze Weile, und ich stehe im Kontakt mit der dänischen Widerstandsbewegung.«
»Widerstandsbewegung?«
Kragerup setzte eine ironische Miene auf. »Zwar haben wir eine der gefährlichsten Sekten der Welt in unserem Land großgezogen, aber wir besitzen auch einen gut organisierten Widerstand. Ein Netzwerk mit Aussteigern aus fast allen Ländern. Nur so konnten wir erfahren, was sie tun und in welchem Maße sie gewachsen sind.«
Nach Aussage der Aussteiger gab es die Ausbilder nun fast überall auf der Welt. Die Spenden, die viele Jahre lang gesammelt worden waren, wurden gut investiert, und zwar vor allem in eigene geschäftliche Aktivitäten. Die Ausbilder waren auch Plantagenbesitzer, vor allem in Südamerika, wo Baumwolle, Mais, Mango und Bananen angebaut wurden. Ein anderer großer Erwerbszweig war der Holzhandel ebenso wie der Handel mit Immobilien.
Über die Jahre hatten die Ausbilder gute Kontakte und Freunde innerhalb der UN und der USAID gewonnen, Letztere war die amerikanische Entsprechung der schwedischen Sida. Saudi-Arabien und andere reiche arabische Staaten spendeten große Summen für die HHH-Projekte in muslimischen Ländern Afrikas und in Malaysia.
Da sie sich früh in Zimbabwe etabliert hatten, half Präsident Mugabe den Ausbildern und den verschiedenen Zweigen der HHH, Regierungschefs und Staatsräte in fast allen afrikanischen Ländern kennenzulernen. In Europa besaßen sie gute Kontakte zu den linksstehenden Regierungen, da sie mit sozialistischen Bewegungen und Kollektiven kooperierten.
Aber, so fuhr Flemming Kragerup ernst fort, sie hätten auch ernste Niederlagen einstecken müssen. In Belgien waren sie in öffentlich einsehbaren Dokumenten als Sekte eingestuft worden, und die Staatsanwälte hatten wegen Steuerhinterziehung ermittelt, allerdings ohne dass es ihnen gelungen war, Anklage zu erheben. In Frankreich hatte das Parlament beschlossen, sie als Sekte einzustufen. In China waren sie wegen Steuerbetrugs bei den
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