Die Wohltäter: Roman (German Edition)
ein nervöses Lachen zu unterdrücken.
Aber die Frau hinter Ninos hatte bereits etwas gehört. »Vielen Dank. Ich nehme das an mich«, sagte sie gekünstelt freundlich und stellte sich mit ausgestreckter Hand neben Ninos. Ohne ein Wort zu sagen, nahm Ninos ein Telefon aus der Gesäßtasche und reichte es hier. Es enthielt noch nicht einmal eine SIM-Karte.
Die Hundefrau ging schnell zur Seite; ihre Kollegen hatten ihr ein Zeichen gegeben. Dann band sie die Leine an einen Zaun.
Ninos ging langsam vorbei, dann etwas schneller. Als er außer Sichtweite war, rannte er so schnell, dass er Seitenstechen bekam. Er warf sich ins Auto, wo Ingrid wartete. Es war, als beträte er eine Sauna. Schweißgeruch hing in der Luft. Ihm wurde klar, dass Ingrid genauso nervös gewesen war wie er selbst. »Wir haben sie. Dort war alles voller HHH-Material.« Er schnüffelte erneut. »Kannst du das Fenster ein wenig runterkurbeln«, bat er und drehte den Zündschlüssel herum. Glücklicherweise hatte er das Auto in der richtigen Richtung geparkt. Weg von den Ausbildern.
Sie irrten mehrere Stunden mit dem Auto umher, ohne eine Adresse zu finden, die der Angabe auf der Rechnung entsprach, die Ninos dabeihatte, und beide waren ungeduldig und erschöpft. Außerdem rochen sie inzwischen möglicherweise noch schlimmer.
Ninos lenkte den Wagen mit den Knien und wühlte in seinem Rucksack nach dem Zeitungsausschnitt, den Emil ihm gegeben hatte. Er zog einen Artikel aus der Berlin gske Tidende hervor, die seit Jahren über die Ausbilder berichtete. Einer dieser Artikel war Ninos besonders in Erinnerung geblieben – er berichtete von einem einzelnen Polizisten aus Jütland, der offenbar über viele Jahre einen privaten Kampf geführt hatte, um die Bewegung zu entlarven. Dem anscheinend unerschütterlichen Desinteresse seitens der Politiker und höheren Ämter zum Trotz hatte der Polizist immer wieder behauptet, die Sekte gefährde die Gesellschaft. Wie das Schicksal es wollte, war ausgerechnet seine Frau den Ausbildern beigetreten, und die Zeitungen deuteten an, dass er sich von da an zu einem anstrengenden Gerechtigkeitsfanatiker entwickelt hatte. Das klang mit anderen Worten nach einem Mann ganz nach Ninos’ Geschmack.
Die Geschichte lag schon einige Jahre zurück, aber Ninos hielt Ingrid den Ausschnitt dennoch vor die Nase. »Was hältst du von diesem Mann? Könnte er nicht auch hier in der Nähe wohnen?«
»Du liebe Güte«, rief Ingrid. »An diesem armen Teufel haben wir kein gutes Haar gelassen. Ich kannte seine Frau. Als er anfing zu erzählen, dass wir eine Gefährdung für die Gesellschaft darstellten, ließen wir innerhalb der Polizei Gerüchte verbreiten, er sei labil und leide unter einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung.« Sie seufzte leise. »Das ist lange her. Er muss mittlerweile in Rente sein.«
»Wie ist euch das gelungen?«, fragte Ninos. »Solche Gerüchte zu verbreiten, meine ich.«
»Du hast ja keine Vorstellung davon ... «, sagte Ingrid. »In allen Berufsgruppen gab es Sympathisanten der Ausbilder. Die Jungen und Radikalen unter ihnen wurden später zu einflussreichen Personen in der Gesellschaft. Du darfst nicht vergessen, dass wir alle dazu ermahnten, sich eine Arbeit zu suchen, um zur Bewegung beizutragen. Auf diese Weise konnten wir ebenfalls expandieren und unseren Einfluss verbreiten.«
»Also hattet ihr wirklich Pläne, die Welt zu regieren?«
»Dänemark war nur der Anfang. Ich habe dir ja erzählt, wie wir unsere eigene Regierung bildeten, in unserem eigenen Staat. Natürlich wollten wir auch die restliche Gesellschaft kontrollieren. Einige unserer allerbesten Freunde sind Politiker geworden.«
»Die noch immer aktiv sind?«
»O ja. Aber sie würden es nie zugeben. Einige alte Ausbilder sitzen in unserer heutigen Regierung.«
Ninos überlegte, ob er kommentieren sollte, dass es Ingrid gelungen war, in beinahe jedem zweiten Satz ein »wir« einzubauen, beschloss aber erneut, sich zurückzuhalten.
Der nächste Morgen war sonnig und schön, doch es war windiger und kälter als am Tag zuvor. Die Autofahrt nach Holstebro dauerte fast eine Stunde. Wenn der Weg am Wasser verlief, schien es mitunter, als würde der Wind den Wagen umwehen. Ninos war blendender Laune, nachdem er sich ein solides Frühstück mit Wurst und Rührei einverleibt hatte.
Ingrid verbrachte einen großen Teil der Fahrt damit, zu erklären, warum Journalisten nicht mit Polizisten kooperierten. Journalisten mussten frei
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