Die Wohltaeter
ruft die ganze Zeit auf dem Mobiltelefon an. Ein paar Mal habe ich es abgestellt, aber Leif möchte wissen, wer dich anruft.«
»Danke. Aber darüber müsst ihr euch keine Gedanken machen. Mit meinem Vater wird es keine Probleme geben.«
»Vielleicht solltest du dich bei ihm melden, damit er aufhört anzurufen. Leif scheint darüber ziemlich verärgert zu sein.«
Plötzlich wurde Tuva unruhig. »Mein Vater weiß, dass ich aus freien Stücken hier bin. Geh nächstes Mal dran und richte ihm Grüße von mir aus. Sag, dass ich ein wenig krank war, ihn aber bald zurückrufe.«
Das versprach Marius zu tun. Eigentlich gefiel ihm das nichtbesonders, aber Leif hatte ihn im Vertrauen darum gebeten, Tuva zu testen, im Auftrag der Sache. Er hatte ein schlechtes Gewissen, Tuva gegenüber nicht ehrlich zu sein. Aber nur ein wenig. Er hoffte inständig, dass sie den Ernst der Situation erfasste.
43
Ninos erwachte mit eiskalten Füßen. Er zog sie an sich und versuchte sich so zusammenzukringeln, dass die Zehen in der Kniekehle des anderen Beins zu liegen kamen. Er merkte, dass er mit dem Gesicht nach unten auf dem Kissen geschlafen hatte und seine Wange beinahe taub war. Erst nach geraumer Zeit öffnete er vorsichtig die Augen und sah, dass er sich wieder in seiner eigenen Wohnung in der Pippersgata befand, die Wärme Floridas in weiter Ferne. Jemand musste in der Küche ein Fenster geöffnet haben, denn er war kurz vorm Erfrieren. Die Jalousien waren heruntergezogen, und er konnte nicht unmittelbar erkennen, welche Tageszeit es war. Nachdem ihn das Taxi zu Hause abgesetzt hatte, war er direkt ins Bett geplumpst.
Er legte das Telefon neben sich aufs Kopfkissen und hörte die fünf Nachrichten ab, die ihn erwarteten. Zwei davon stammten von Sigge Strömmer, der sich fragte, wie es ihnen eigentlich ergangen sei. Sie hatten vollkommen vergessen, ihn aus Florida anzurufen, sondern nur den Text geschickt. Eine weitere Nachricht kam von Zoran, der überlegte, ob er eine großangelegte Suchaktion nach Ninos starten sollte, da er schon seit mehreren Tagen verschwunden war. Die vierte Nachricht kam von der Abendredaktion der Zeitung, die sich über die schlechte Bildqualität des Fotos in Møllers Mitgliedsausweis von Fisher Island beschwerte. Die fünfte stammte von Flemming Kragerup:
»Sie haben ihn in Zürich geschnappt. Verdammt großartig! Ich habe Interpol gesagt, dass sie Ihnen jetzt einen Gefallen schuldig sind. Herzlichen Glückwunsch, mein Freund! Sie haben uns dabeigeholfen, einen sehr gefährlichen Mann unschädlich zu machen. «
Er beendete seine Nachricht mit der Mitteilung, diese Information sei noch vertraulich, und Ninos dürfe nichts darüber in der Zeitung schreiben.
Ninos hob seinen Kopf einige Zentimeter und ließ ihn wieder fallen. Jetzt war es geschehen. Es war tatsächlich geschehen. Ein Gefühl der Ungläubigkeit überkam ihn. Hier lag er – der kleine Ninos – in seinem Bett, während Møller sich auf dem Weg in ein dänisches Untersuchungsgefängnis befand. Er spürte weder Freude noch Erleichterung, sondern lediglich, wie unwirklich das alles war. Und vielleicht ein wenig Unruhe. Aber eigentlich sollte er zufrieden sein. Die passende Stimmung würde sich später schon einstellen.
Dann schoss ihm durch den Kopf, dass der Artikel bereits veröffentlicht sein müsste. Sie hatten ihn vom Flughafen in Miami aus geschickt, und das war mindestens zwölf Stunden her, seine Schlafzeit noch nicht eingerechnet. Warum hatte er die Zeitung nicht schon längst abonniert?, dachte er verärgert. Nun würde er sie erst in der Redaktion lesen können. Ihm fielen keine Geschäfte ein, die so früh schon geöffnet hatten. Er könnte seinen Computer holen und im Internet nachsehen, aber das würde ihm nicht denselben großen Kick verpassen wie die gedruckte Zeitung. Außerdem fiel ihm ein, dass die Morgenzeitung sich ja weigerte, vollständige Artikel im Internet abzudrucken. Er beschloss, noch einige Stunden abzuwarten.
Bei der Morgenzeitung herrschte Ruhe, nur einige Nachtredakteure beendeten gerade ihre Schicht. Ninos stellte fest, dass es erst halb sieben und noch niemand am Arbeitsplatz war. Er schnappte sich die Erstauflage der Zeitung, die auf einem kleinen Servierwagen an die Auslandsredaktion geliefert wurde. Die Schlagzeile lautete: »Immer mehr Menschen geht es immer schlechter.«
Ninos las sie zweimal hintereinander, ohne den Satz dadurch besser zu verstehen. Auf der gesamten ersten Seite fand
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