Die Wohltaeter
ihnen vielleicht die Gewerbeaufsicht vorbeischicken.«
Karin schluckte. Die Gewerbeaufsicht, der verlängerte Arm der Gewerkschaft, der einen Arbeitsplatz anhand von Zwangsmitteln schließen konnte. Hundert Angestellte waren allerdings eine ganze Menge. Möglicherweise sollte sie die Sache an die Wirtschaftsredaktion zurückgeben.
»In Ordnung. Haben Sie Namen der Kläger, über die Sie uns in Kenntnis setzen dürfen?«
»Noch nicht. Vielen geht es schlecht. Wir wollen sie nicht der Öffentlichkeit ausliefern. Aber falls Sie interessiert sind, können wir ja in Kontakt bleiben.«
»Gern«, sagte Karin. »Meine Nummer haben Sie. Und wie heißt die Firma?«
»HHH. Sie wissen schon, die Secondhandläden. Einer davon liegt im Sveaväg.«
Karin brummte anstelle einer Antwort bejahend und notierte sich Namen und Adresse. Sie lag in fußläufigem Abstand vom NK-Kaufhaus, ihrem Ausgangspunkt für alle Strecken in der Innenstadt.
»Ich glaube nicht, dass mehr dahintersteckt. Sorry. Ich habe überall angerufen«, sagte Karin geschäftig und deutete mit dem Stift auf ihren Notizblock. Sie saß in Flintbergs unbequemem Besucherstuhl und versuchte, einen bedauernden Tonfall anzuschlagen.
»Dagegen beschäftigt sich eine der Gewerkschaften gerade mit einer Ladenkette ohne Tarifverträge, daraus könnte vielleicht später etwas werden. Ich bleibe selbstverständlich dran.« Es machte sich immer gut, das Gespräch mit dem Versprechen zu beenden, sich der Angelegenheit später noch einmal zu widmen. Das verdeutlichte, dass man die Idee noch nicht vollkommen begraben hatte. Insbesondere, wenn es sich um eine Idee des Chefs handelte.
»Welches Unternehmen?«
»HHH. Sie verkaufen Secondhandkleider für wohltätige Zwecke. «
Flintberg sah von seinem Telegrammticker der schwedischen Nachrichtenagentur auf, den er am Bildschirm durchscrollte. »Wirklich?« Während sie redeten, ging er das Telegramm durch und hörte zeitgleich bei niedriger Lautstärke die Beiträge für den Nachmittag ab. Das war vollkommen normal.
»Ja, allerdings glaube ich in diesem Fall, das wäre eher was für die Wirtschaftsredaktion ... «, fügte Karin unsicher hinzu. Flintberg konnte unmöglich an Secondhandkleidung interessiert sein.
»Schön und gut. Aber wissen Sie, es ist so«, sagte Flintberg mit ungewohntem Nachdruck in der Stimme, »dass ich gehört habe, der tote Diplomat im Djurgårdkanal hätte irgendetwas mit HHH zu tun gehabt.«
»Was?« Karin schüttelte ungläubig den Kopf. »Wie das denn?«
Flintberg drehte sich zum Papierkorb, bedeckte mit der einen Hand seinen Mund und pulte mit der anderen den Snus heraus. Noch während er die Reste des alten Kautabaks entfernte, schob er einen neuen Priem unter die Oberlippe und wandte sich ihr wieder zu.
»Ich habe nur gehört, er hätte was damit zu tun gehabt. Und das Außenministerium ist offenbar nicht sonderlich erfreut darüber, dass ein ausländischer Diplomat, der tot im Kanal gelegen hat, Verbindungen zu diesem Unternehmen hatte. Die Polizei war dabei, die Ermittlungen einzustellen, aber er hatte offenbar einen Auftrag von der UN, bei dem es unter anderem um genau diese Firma ging. Sie können doch bestimmt etwas mehr darüber herausfinden.«
»Aber was kümmert es das Außenministerium, dass sie keine Tarifverträge haben?« Karin hatte das Gefühl, schwer von Begriff zu sein.
»Vermutlich überhaupt nicht. Aber es könnte ja sein, dass es etwas anderes gibt, was das Unternehmen für das Ministerium interessant macht. Also bleiben Sie an der Gewerkschaftsgeschichte dran und bereiten Sie einen Hintergrundbeitrag über das Unternehmen vor. Es kann nicht schaden, so etwas zu haben.«
Mist, Mist, Mist, dachte Karin. Flintberg hatte offenbar mal wieder mit einem seiner Polizeikumpanen in der Sauna gehockt und die neusten Gerüchte aus der Bergsgata erfahren. Gemeinsam mit dem Nachrichtenchef des staatlichen Fernsehens leitete Flintberg eine Schwimmgruppe in Kungsholmen, wo sich anscheinend das gesamte Polizeipräsidium zum Planschen versammelte. Mitunter hatte Karin selbst überlegt, sich dort einzuschleichen und sich eine vernünftige Quelle aus Polizeikreisen zuzulegen. Schlimmer als der ständige Zwang, die Vorstandsbeschlüsse der Vereinigung investigativer Journalisten in der Sauna abzuschließen, konnte es schon nicht werden. Karin hasste es auch, immer lauwarmes Dosenbier trinken zu müssen, während die Tagesordnung beschlossen wurde, dachte aber nicht im Traum daran, ihre
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