Die Wolfsjägerin: Roman (German Edition)

von einer Templerin zeigen, wie man so etwas macht.«
    Iwan zog eine Augenbraue hoch. »Und wie genau?«
    »Du weißt doch, dass Baba Jaga im frühen zwanzigsten Jahrhundert schwer verletzt wurde?«
    » Da . Das haben wir von Rasputin erfahren.«
    »Aber hast du dich je gefragt, warum es ihr plötzlich so schlecht ging?« Billi sah sich um, um sich zu vergewissern, dass niemand lauschte. Sie konnte ihre Aufregung kaum bändigen. »Es lag am Tunguska-Ereignis!«
    Iwan runzelte die Stirn; dann verstand er und starrte Billi an. »Natürlich. Der Meteorit.«
    »Und er hätte sie beinahe getötet«, fügte Billi hinzu.
    Iwan lachte. »Also müssen wir jetzt nur abwarten, bis der nächste Meteorit einschlägt, und dafür sorgen, dass Baba Jaga darunter steht. Ganz einfach.« Er senkte den Kopf. »Kein Wunder, dass ihr Templer so gefürchtet seid! Baba Jaga ist so gut wie tot.«
    »Ich habe ein Stück von dem Meteoriten in der Tasche.« Billi versuchte, ihre Hand in die Tasche zu stecken, um ihm die Statuette zu zeigen, aber es gelang ihr nicht; die Fesseln saßen zu eng.
    »Aber das damals war ein riesiger Meteorit, der über tausend Stundenkilometer schnell war.« Iwan schüttelte den Kopf. »Du hast bloß einen Kieselstein.«
    »Ein Kieselstein hat Goliath getötet.« Billi lehnte sich an den Pfahl und hoffte, ihn losrütteln zu können, aber er gab nicht einmal um einen Millimeter nach.
    »Als Wassilissa die Eruption des Vesuv gespürt hat, haben wir sie mit Schnee bedeckt, nur mit ein paar Handvoll. Aber indem wir sie abgekühlt haben, haben wir zugleich den Vulkan abgekühlt. Es hatte denselben Effekt, als wenn wir zum Vesuv gegangen wären und eine Million Tonnen Schnee in den Krater gekippt hätten.« Billi suchte den Boden ab und hoffte, dort eine scharfe Tonscherbe des Geschirrs liegen zu sehen. Sie hatte kein Glück. »Dieser Stein ist ein Teil desjenigen, der Baba Jaga beinahe getötet hätte. Also sollten die geringen Auswirkungen des kleinen Steinstücks die gewaltigen Auswirkungen des ursprünglichen nachahmen können. Das ist das grundlegende Prinzip der sympathetischen Magie.«
    »Dann lass es uns einfach tun«, sagte Iwan schließlich.
    »Wir müssen nur aus diesen Fesseln loskommen.« Sie hatte alles durchdacht: Der Stein der Venusstatuette konnte geschärft werden; sie konnten etwas davon abmeißeln, bis er zu einem primitiven Steinmesser geworden war. Dann musste sie nur noch nahe genug herankommen, um den Stoß zu führen.
    »Aber trotz allem … Warum hast du Wassilissa am Leben gelassen? Du gehst damit ein schreckliches Risiko ein.« Iwan stemmte sich gegen seine eigenen Fesseln, aber sie waren so fest wie die von Billi.
    »Wenn ich Wassilissa getötet hätte, hätte ich nichts erreicht. Ich wäre tot und die Statuette verloren, vielleicht für immer. Und was, wenn Wassilissa tot wäre? Früher oder später würde ja doch ein anderes starkes Frühlingskind auftauchen, und dann wären wir wieder da, wo wir angefangen haben.« Schließlich hatten sie Kay und Wassilissa beide binnen weniger Jahre gefunden. Wer wusste schon, wer sonst noch da draußen sein mochte und darauf wartete, von den Polenitsy gefunden und zu ihrer Göttin gebracht zu werden? Sie fuhr fort: »Denk darüber nach. Wir haben die Möglichkeit, Baba Jaga zu töten, und sie ist in der Nähe. Wenn Wassilissa jetzt gestorben wäre, hätten die Polenitsy uns in Stücke gerissen, und die einzige Chance, Baba Jaga ein für alle Mal zu töten, wäre vertan gewesen. Wir müssen näher an sie heran. Jetzt oder nie.«
    »Darum also hast du Wassilissa am Leben gelassen.« Iwan grinste. »Ich dachte schon, du wärst gefühlsduselig und weich geworden.«
    »Dann musst du noch viel über mich lernen.«
    »Ich hoffe, ich werde Gelegenheit dazu haben.«
    Die Türklappe flog auf, und Olga kam herein, um ihre Wache zu beginnen; sie trug eine dampfende Holzschüssel bei sich. Sie nahm sich einen Hocker, setzte sich darauf, pustete auf die dampfende Brühe, schaufelte sich einen Löffel voll in den Mund und aß schweigend, während sie Billi und Iwan beobachtete.
    Billi sagte: »Olga, ich verstehe nicht, warum du ihr helfen willst, das zu tun. Du weißt, dass sie dich anlügt.«
    Olga senkte die Schale, die sie bis an die Lippen gehoben hatte. »Sieh uns doch an, Templerin. Was siehst du?«
    Billis erste Reaktion bestand darin, sagen zu wollen, dass sie eine Horde heulender Ungeheuer wären, aber das traf nicht zu. Die Templer hatten ihr beigebracht zu