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Die Wolfsjägerin: Roman (German Edition)

Die Wolfsjägerin: Roman (German Edition)

Titel: Die Wolfsjägerin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarwat Chadda
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dem die Polenitsy lauerten. Die Wände waren mit Malereien und Reliefs von fliegenden Reptilien, Tiermenschen, riesigen Ungeheuern mit Flügeln und Klauen und Menschen mit Tierköpfen verziert. Dort, wo die Wölfinnen ihre Krallen gewetzt hatten, waren Kerben im Stein zurückgeblieben.
    »Babuschka«, wiederholte Olga.
    Irgendetwas bewegte sich durch das Kristalllabyrinth. Klack, klack, klack , machte ein Knochenstab. Nackte Füße mit ledrigen Sohlen schlurften über den Stein. Die Polenitsy zischten und fielen auf die Knie.
    Die Rote stieß Iwan auf die Knie, und er unterdrückte einen Aufschrei. Billi kniete sich unaufgefordert hin; es kam ihr einfach richtig vor. Sie befand sich im Angesicht der Göttin. Nur Wassilissa und Olga blieben stehen.
    Unsichtbare Energiewellen durchliefen den gewaltigen Raum, und jede einzelne erschütterte Billi bis ins Mark. Sie legte die Hände ins Wasser, kämpfte aber darum, den Kopf erhoben zu halten. Die lastende Gegenwart der Göttin war überwältigend.
    Deshalb fürchtete sich der Mensch vor der Dunkelheit. Von grauer Vorzeit an hatte er gewusst, dass etwas Wildes gleich außerhalb des flackernden Feuerscheins seiner Höhle lauerte, bei den Bestien und Ungeheuern. Die Dunkle Göttin.
    Sie schlurfte ins schwache Kerzenlicht, und die Schatten um sie herum wurden tiefer. Sie ging gebückt, war aber selbst so noch vier Meter groß. Lumpen bedeckten ihren skelettartigen Körper, Tierhäute und alte Pelze. Insekten huschten durch ihr bodenlanges weißes Haar, das einen Schleier vor ihrem Gesicht bildete. Nur die Augen starrten daraus hervor. Schwarz, funkelnd, uralt. Ihre Fingernägel – lange, gekrümmte Dolche – klackten gegen ihren Knochenstab.
    » Komm , MEINE Kleine.«
    Wassilissa zögerte und warf einen Blick zurück zu Billi. Aber Billi konnte ihr nicht helfen. Wassilissa durchquerte den Teich, um die verwitterte Hand der uralten Hexe zu ergreifen.
    Baba Jaga zog Wassilissa in ihre Arme und lachte. Es klang wie das Prasseln dürren Reisigs im Feuer oder wie das Rauschen eines Flusses, der gegen Felsen und Klippen anbrandet. Es wurde lauter, und nun war es ein Freudenfeuer, hoch aufgehäuft und lodernd. Die umgebenden Steine warfen das Gelächter aus allen Richtungen zurück, und so lachte sie im Chor.

34
    Billi verschränkte die Finger mit denen Iwans und packte fest zu, um sich selbst am Zittern zu hindern.
    Baba Jaga schlurfte durch den Teich und beäugte sie.
    »WeR Bist du , TOchterrrr?«, fragte sie. Auf ihrer Zunge lagen zehntausend Stimmen. Dank ihres scharfen Gehörs konnte Billi einige heraushören: Männer, Frauen, Kinder. Manche waren beinahe verständlich, während andere nur wirr schrien. Allesamt Opfer der Baba Jaga. Kein Wunder, dass Wassilissa, die sich in den Klauen der Hexe befand, solche Angst hatte.
    »Billi.« Ihre eigene Stimme brach vor Furcht. Sie räusperte sich und versuchte es erneut, zwang etwas Mut in ihre Lunge. Es war nicht einfach. »Billi SanGreal.«
    »Eine Wolfstöterin«, setzte Swetlana hinzu.
    Baba Jagas Atem fegte wie ein eisiger Wind über Billis Gesicht hinweg. Ihre krallenartigen Nägel klack-klack-klackten , und Billi war sich schmerzlich bewusst, dass jeder einzelne davon ihr geradewegs die Brust durchbohren und auf der anderen Seite wieder herauskommen konnte. Iwan erhob sich und trat einen Schritt vor. Sein Gesicht war eine Maske der Furcht, aber er starrte die Dunkle Göttin an, entschlossen und herausfordernd.
    »Sie hat es getan, um mich zu retten«, sagte er.
    Baba Jagas Aufmerksamkeit richtete sich schlagartig auf ihn, und sie streichelte seinen Hals mit ihren kalten Nägeln.
    Die Rote sprach. »Sie müssen bestraft werden, Große Mutter. Sie haben Silberpfote getötet, eine Älteste.« Sie sah sich lächelnd nach Billi um. »Gewähre mir die Ehre, ich bitte dich!«
    »Babuschka, sie ist meine Freundin«, sagte Wassilissa; ihr kleines Stimmchen hallte in der Höhle wider. Sie sah verzweifelt zu der alten Hexe hoch.
    »Wir sind wegen des Mädchens hier«, sagte Iwan. »Lass sie uns mitnehmen, dann wird es keinen Ärger mehr geben. Es ist besser so für dich.«
    Billi sah Iwan schockiert an. Wovon zum Teufel redet er?
    »Hunderte von Bogatyri sind auf dem Weg hierher«, sagte Iwan. »Und Templer. Mit Schwertern, Äxten und Schusswaffen. Du wirst vernichtet werden.«
    Es war ein gewaltiger Bluff, aber Billi erinnerte sich an das Deckenmosaik, das Koschtschei ihr im Ministerium gezeigt hatte, und seine Erzählung darüber,

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