Die Wolfsjägerin: Roman (German Edition)
eines tun, bevor es zu spät war.
»Es geht mir gut«, sagte sie. Das stimmte nicht; es ging ihr alles andere als gut.
Wassilissa .
Es war noch gar nicht so lange her, dass sie zu Hause gewesen war, bei ihrer Familie, in Sicherheit und ohne etwas von den Ungeheuern da draußen zu ahnen. Ohne eigene Schuld, durch eine angeborene Besonderheit, stand sie nun im Mittelpunkt der Bataille Ténébreuse .
Es tut mir leid, Wassilissa .
Während die Polenitsy ungeduldig neben ihr warteten, grub Billi die Finger in den Schnee und wünschte sich, die Kälte hätte ihr ins Blut sickern und ihr das Herz gefrieren lassen können. Sie musste jegliche Barmherzigkeit und jegliches Mitgefühl, über die sie verfügen mochte, in Eis verwandeln. Es war jetzt kein Platz dafür.
Es gab nur einen Weg, den Fimbulwinter aufzuhalten.
Billi würde Wassilissa heute Nacht töten.
35
Olga ging mit gerunzelter Stirn neben Billi her, als sie schließlich ins Lager zurückkehrten. Iwan war mit den übrigen Polenitsy ein paar Schritte zurückgefallen; mit seinem verletzten Bein war es nicht leicht für ihn, durch den Schnee zu stapfen.
»Ich sollte dir wohl danken. Dafür, dass du uns das Leben gerettet hast«, sagte Billi. Sie verstand es allerdings nicht. Warum hatte die alte Frau sie nach allem, was geschehen war, beschützt?
»Ich habe eine Schuld beglichen, nichts weiter.«
»Eine Schuld? Du schuldest uns nichts.«
»Ihr habt zwei Leben gerettet. Natascha und Maria. Ihr habt ihnen in Moskau geholfen, den Bogatyri zu entkommen.«
Die Paisleyfrau und das kleine Werwolfsmädchen. »Waren sie deine Freundinnen?«
»Sie waren Polenitsy.«
»Aber die Frau ist tot. Koschtschei hat sie umgebracht.«
Olga nickte. »Aber Maria lebt noch. Für ihr Leben habe ich eures gerettet.« Sie wurde langsamer und bohrte ihre Stiefelspitze in den Schnee. »Und du bist jetzt eine von uns. Wir schützen die unseren.«
Billi schüttelte wild den Kopf. »Ich werde nie zu euch gehören. Selbst wenn ich mich verwandle – warum sollte ich ein Teil hiervon werden wollen?«
Olga packte Billi am Arm und drehte sie gewaltsam zu sich herum. »Wohin willst du denn sonst gehen? Glaubst du, dass die Templer dich willkommen heißen werden – dich, die du in ihren Augen eine Unholdin bist? Du wirst zu uns gehören und ein Leben leben, das du dir nie hättest träumen lassen. Was ist besser als diese Freiheit?«
»Sie hat nichts zu bedeuten. Wenn morgen der Fimbulwinter losbricht, werden wir alle bald genug tot sein.«
»Der Fimbulwinter … Das sagst du. Wer hat dir vom Fimbulwinter erzählt?«
»Wassilissa. Du musst wissen, dass Baba Jaga ihren Verstand mit ihr teilt. Wassilissa hat alles über den Fimbulwinter von der Göttin selbst erfahren.«
»Nein … das kann nicht wahr sein«, sagte Olga mit zitternder Stimme.
»Ich weiß nicht, wer schlimmer ist«, sagte Billi zu der alten Frau. »Diese verrückte Hexe oder du, die du sie anbetest.«
Wenn sie eine Reaktion gewollt hatte, dann bekam sie sie. Olga holte sie mit einem einzigen Hieb von den Beinen. Sie beugte sich über Billi und ließ die Finger spielen. Die Nägel waren normal, menschlich. Sie brauchte nicht erst Klauen, um Billi in Stücke zu reißen.
»Steh auf, Templerin«, sagte Olga. »Warum provozierst du mich?«
Billi stand auf und klopfte sich den Schnee vom Mantel. »Ich dich? Findest du nicht, dass Kindesentführung und die Planung des Weltuntergangs eine Provokation darstellen?«
»Du hättest in London bleiben sollen.«
»Warum? Weil es dort sicherer ist? Wenn der Yellowstone-Vulkan hochgeht, gibt es auf dem ganzen Planeten keinen Ort mehr, der sicher ist.«
»Nein. Die Große Mutter hat versprochen, uns zu beschützen.« Olga schüttelte den Kopf. »Sie würde keine solche Verwüstung über uns kommen lassen. Wenn das, was du sagst, zuträfe, würde die gesamte Weltbevölkerung so gut wie aussterben. Baba Jaga will doch nur die Natur beschützen.«
»Sie lügt, Olga.« Billi sah der alten Frau in die Augen. »Sie will reinen Tisch machen und von vorn anfangen. Sie braucht nur ein paar Überlebende. Selbst wenn es noch tausend Jahre dauert, bis die Welt sich wieder bevölkert … Baba Jaga kann warten.«
»Baba Jaga hat uns einen Frühling wie keinen anderen nach dem Opfer des Frühlingskinds versprochen.«
»Ja. Aber vor diesem Frühling wird ein langer, harter Winter kommen, und du wirst nicht mehr da sein, um den Frühling zu genießen. Das wird keiner von uns.«
Es war ein
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